Vier Jugendliche schlugen Berliner ins Koma

Videoaufnahmen halfen bei Fahndung / Rundumüberwachung und mehr Bahnhofspersonal gefordert

  • Katja Herzberg
  • Lesedauer: 3 Min.
Vier Jugendliche haben in Berlin einen 30-Jährigen auf einem U-Bahnhof brutal zusammengeschlagen. Das Opfer schwebt in Lebensgefahr. Videoaufzeichnungen führten zu den Tätern, während Umstehende nicht eingriffen.

Der Fall erinnert an die tödliche Attacke auf Dominik Brunner, der im September 2009 in München von einem 17- und 18-Jährigen so schwer geschlagen wurde, dass er kurz darauf starb. In der Nacht zu Sonnabend waren zwei 30-jährige Maler aus Berlin und Rostock auf dem Heimweg, als sie im U-Bahnhof Berlin-Lichtenberg von vier Jugendlichen angegriffen wurden. Einer der beiden Männer konnte leicht verletzt fliehen. Der andere Handwerker wurde mit Faustschlägen und Tritten malträtiert, bis er regungslos liegen blieb. Im Krankenhaus fiel der Berliner ins Koma. Die Täter entkamen unerkannt. Auch, weil sich mehrere Tatzeugen auf dem Bahnhof wohl nicht einzugreifen trauten. Dass niemand dem Opfer zu Hilfe eilte, sorgt nun für Entsetzen.

Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) zeigte sich erschüttert über das Ausmaß der Brutalität der Jugendlichen. Dass die Festnahme durch Videobilder ermöglicht wurde, zeige, dass Videoüberwachung im öffentlichen Personennahverkehr hilfreich sei. Dem stimmte der Sprecher der Berliner Verkehrsbetriebe zu, in deren U-Bahnhof sich der Überfall ereignete. »Dies bestärkt uns, neue Anlagen und Züge auch mit Kameras auszustatten«, sagte Klaus Watzlak. Nicht verstehen könne er, dass die Notrufsäule, die auf jedem U-Bahnhof zu finden ist, in diesem Fall nicht genutzt wurde. Es würden keine zusätzlichen Sicherheitskräfte auf die Bahnhöfe geschickt. Man müsse sich fragen, warum Umstehende nicht eingeschritten sind. Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, rief daher erneut dazu auf, bei Überfällen nicht tatenlos zuzusehen. »Das Mindeste ist, zum Telefon zu greifen«, so Wendt.

Volker Ratzmann, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, forderte gestern eine schnelle Reaktion der Justiz und die Fortsetzung der Diskussion um sichere Bahnhöfe. »Mehr Personal auf den Bahnhöfen ist der beste Schutz«, stellte Ratzmann fest. Der Berliner CDU-Landes- und Fraktionsvorsitzende Frank Henkel sieht ebenfalls Handlungsbedarf. Er sprach angesichts der Prügelattacke von »unfassbarer Brutalität mancher Migranten«.

Bereits am Dienstag konnte die Polizei vier Tatverdächtige festnehmen. Laut Staatsanwaltschaft ist einer von ihnen erst 14 Jahre alt, die anderen drei sind 17. Sie stammen aus Einwandererfamilien aus Irak, Bosnien und Kenia. Am Mittwoch gestanden die Verdächtigten die Tat, bestritten aber eine Tötungsabsicht. Es laufen Ermittlungen wegen versuchten Raubmordes und gefährlicher Körperverletzung. Den mutmaßlichen Tätern drohen nach Jugendstrafrecht bis zu zehn Jahren Haft. Am Mittwoch sollten sie dem Haftrichter vorgeführt werden.

Die jungen Männer seien der Polizei bisher nicht durch Gewalttaten aufgefallen. Polizeibeamte der »Operativen Gruppe Jugendgewalt« hätten zunächst einen mutmaßlichen Täter anhand von Videoaufnahmen von den Überwachungskameras im U-Bahnhof identifiziert und ihn an einer Lichtenberger Schule festgenommen.

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