Scheinkämpfe gegen Elbvertiefung

Vor allem zwei Themen werden Hamburgs Parteien auch nach dem Wahlkampf entzweien

  • Volker Stahl
  • Lesedauer: 3 Min.
Gestern wählten die Hamburger ihre nächste Bürgerschaft. Was sie von dieser zu erwarten haben, ist höchst ungewiss, der Wahlkampf jedenfalls bot wenige Anhaltspunkte inhaltlicher Festlegungen. Fast alle Parteien setzten auf einen reinen Personenwahlkampf, in dessen Mittelpunkt das Duell zwischen Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) und seinem Herausforderer Olaf Scholz (SPD) stand. Bis auf wenige Ausnahmen.

Nur wenn es im Hamburger Wahlkampf der letzten Wochen um Wohnungsnot oder Elbvertiefung ging, kochten die Emotionen hoch. Und das dürften auch die Aufregerthemen der nächsten Zeit bleiben.

Elbvertiefung

Angesichts wenig aussagekräftiger Parolen wie »Verantwortung« (SPD) oder »Positiv handeln« (FDP) forderten Kritiker im Hamburger Wahlkampf mehr Tiefgang. Dem regierenden, aber nahezu chancenlosen Bürgermeister Christoph Ahlhaus und seiner CDU sollte das Thema Elbvertiefung in letzter Minute gar einen Stimmungsumschwung bescheren.

Die Elbe als Verkehrsfluss wurde in den vergangenen 200 Jahren konsequent vertieft, um die Wirtschaftlichkeit ihrer Beschiffung zu optimieren. Die nun angestrebte Fahrrinnenanpassung wird von der Hafenwirtschaft vor allem mit dem Trend zu größeren Containerschiffen begründet, die einen Tiefgang von bis zu 14,5 Metern benötigen. Umweltverbände kritisieren das Vorhaben wegen befürchteter negativer ökologischer Auswirkungen.

Bürgermeister Ahlhaus erklärte das Projekt zur Chefsache und nährte Befürchtungen, die Grünen könnten nach den Wahlen in einer rot-grünen Senatskoalition die Elbvertiefung blockieren. Allerdings ist es auch dem CDU-geführten Senat in den knapp drei gemeinsamen Regierungsjahren mit der GAL nicht gelungen, die Fahrrinnenanpassung entscheidend voranzubringen.

Eine Kerbe, in die die SPD und ihr Spitzenkandidat freudig schlagen konnten. Olaf Scholz’ Ankündigung, der ehemalige Handelskammerchef Frank Horch, der allzu großer ökologischer Bedenken unverdächtig ist, solle im Falle seines Wahlsiegs die Wirtschaftsbehörde übernehmen, unterstreicht die Bedeutung des Themas auch für die Sozialdemokraten.

Der Grünen-Bundestagsfraktionschef Jürgen Trittin hatte mit seinem Plädoyer gegen eine weitere Elbvertiefung die GAL-Wahlkampfattacken gegen den möglichen Koalitionspartner SPD eingeleitet. Doch sogar die Grünen-Spitzenkandidatin Anja Hajduk räumte bereits ein, dass sie die Elbvertiefung zwar als ökologisch falsch erachte, von den Grünen aber kaum mehr als aufhaltbar betrachte. Damit bleiben die LINKEN wohl auch in Zukunft die einzige relevante Partei, die sich gegen die Elbvertiefung einsetzt.

Wohnungsnot

Nachdem die CDU im 2001 die 44 Jahre regierende SPD abgelöst hatte, entwickelte sie das Leitprojekt der Wachsenden Stadt. Es ist stark geprägt von der Frage, wie sich Stadtentwicklung unter den Bedingungen der Globalisierung entfalten soll und unterscheidet sich von alten SPD-Konzepten, die sozialintegrative Aspekte in den Vordergrund gestellt hatten. Ziel der CDU-Senate war es, ein gut ausgebildetes und verdienendes Klientel in die Stadt zu locken. Folge: Die Einwohnerzahl wuchs, die der Zahl erschwinglicher Wohnungen sank. In den letzten zehn Jahren hat sich auch die Wohnungsbaupolitik radikal gewandelt. Wurden im Jahr 2000 noch 6502 Wohnungen fertig gestellt, schrumpfte diese Zahl stetig. »Ein Blick auf die Wohnungsbauzahlen der letzten 20 Jahre zeigt«, so Dr. Eckard Pahlke, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg, »dass der gegenwärtige katastrophale Zustand auf dem Wohnungsmarkt absehbar war.«

Das Problem haben nun auch die Parteien erkannt. Im Wahlkampf überboten sie sich mit Forderungen nach Neubauten. Zuletzt wollte sogar Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) Sozialwohnungen bauen, deren Bestand von einstmals 300 000 inzwischen auf unter 100 000 gesunken ist. Die SPD strebt den Bau von 6000, die LINKE sogar von 8000 neuen Wohnungen an. Die Grünen wollen brachliegende Gewerbeflächen für Wohnungsbau freigeben und die FDP schlug sogar vor, den berühmten Knast Santa Fu (JVA Hamburg-Fuhlsbüttel) zu schließen und dort Wohnungen für Familien bauen zu lassen.

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