Ein Baron fliegt nicht

  • Brigitte Zimmermann
  • Lesedauer: 3 Min.
Flattersatz – Ein Baron fliegt nicht

Dass die Welt schlecht ist, darauf kann man sich mit den meisten schnell einigen. Dass die Schlechtigkeit der Welt aber allemal eine Steigerung erfährt, weil Polit- und Lebenskünstler aller Couleur daraus persönlichen Gewinn ziehen, daran muss hin und wieder erinnert werden.

Mit Erstaunen hörte man beispielsweise am Vormittag des 9. Februar im Deutschlandfunk die Nachricht, dass Bundesminister zu Guttenberg auf einer Messe in Indien die Qualität deutscher Rüstungsgüter empfohlen habe. Wertarbeit sei garantiert. Sollten also die Inder verstärkt zugreifen und der Konflikt mit Pakistan wieder offen bewaffnete Formen annehmen: Dann fehlt nur noch eine fragwürdige Enduring Freedom-Mission der NATO, um auch deutsche Soldaten die Genauigkeit heimatlicher Qualität mit dem Leben bezahlen zu lassen. Was in Afghanistan vermutlich schon eingetreten ist, denn die jetzt so bezeichneten Aufständischen – man kann offenbar nicht mehr für alles die Taliban verantwortlich machen – beziehen ihre Ausrüstung über Umwege von überall.

Neu daran ist nicht, dass Waffenschmieden ihre Produkte im Kriegsfall an alle Parteien liefern. Das weiß man spätestens seit Krupp, es gehört zur Grundschlechtigkeit der Welt. Diese wird aber uferlos, wenn Minister dafür ungehemmt den Werbeblock übernehmen. Dabei sind manche Politiker neuerdings recht beleidigt, wenn ihre Branche als verkommen bezeichnet wird. Aber das blanke Erfüllungsgehilfentum gegenüber der Wirtschaft – Guttenberg warb für Produkte des Konzerns EADS – ist Ausdruck höchster Verkommenheit. Denn dieselben »Volksvertreter«, wenn sie einen Mindestlohn für freilich wirtschaftsferne ärmere Teile der Bevölkerung durchsetzen sollen, sagen mit großer Geste, dies sei Angelegenheit der Tarifpartner. Dabei haben viele auf die Bibel geschworen, Gerechtigkeit gegen jedermann zu üben. Das sollte nicht nur auf das Recht aller hinauslaufen, von militanter deutscher Wertschöpfung zielsicher erreicht zu werden.

Gegen das Vertretergebaren eines Waffenhändlers ist der Skandal um die teils aus Fertigprodukten zusammengefügte Doktorarbeit des Freiherrn zu Guttenberg eher unbedeutend, wenn auch erbärmlich. Denn er entlarvt einen, der sich nur im Erfolgsfall denken kann und immer den Eindruck herstellte, die Schlechtigkeit der Welt und die teils dürftige Ausstattung des anderen politischen Personals könnten seiner Edelgesinnung nichts anhaben. Und da hinein jetzt unabweisbare Übergriffe auf geistiges Eigentum anderer. Unappetitlich sowieso und für einen Gefallsüchtigen vom Format Guttenbergs erst recht. Zur Verteidigung seines glänzend vermarkteten schönen Selbstbilds nennt er Fehlleistungen nun verniedlichend »Fehler« und legt nach Gutsherrenart fest, mit wem er darüber überhaupt noch reden will: mit der Universität Bayreuth. Der Bundestag, dessen Mitglied er ist und den er für den Doktorhut augenscheinlich auch dienstbar machte, kommt gar nicht vor. Diese Arroganz zeigt: Der Mann scheint eindeutig und zu Recht schwer getroffen. Zu seinem Glück nicht von einem deutschen Präzisionsgewehr.

Der eigentliche Skandal in diesem Skandal ist allerdings der spießgesellige Umgang, den die Parteifreunde Guttenbergs, auch die Kanzlerin, wie immer machttaktisch denkend, bei dem peinlichen Vorkommnis an den Tag legen. Merkel nennt die hilflos-überhebliche Verteidigung Guttenbergs »sehr offensiv«, die CSU redet von »Schmutzkampagne«. Ein bislang beliebter Baron fliegt eben nicht. Und dies in einem Land, wo die Kaufhallenkassiererin Emmely wegen eines nicht korrekt abgerechneten Pfandbons über 1,40 Euro und eine andere Frau, die aus der Firma ein paar Maultaschen mitnahm, die sonst weggeworfen worden wären, sofort ihre Arbeitsplätze verlieren. Ganz zu schweigen davon, dass Ostdeutsche noch heute für Irrtümer und eventuelle Fehlleistungen von vor 50 Jahren geradestehen müssen.

Die Welt ist schlecht und Deutschland leider mittendrin.

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