»Sie waren praktisch schon auf dem Heimweg«

Afghanistan: Trauer um die getöteten deutschen Soldaten – Aufständische haben die Jagdsaison auf »Marder« eröffnet

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Bundeswehr und die mit ihr verbündeten einheimischen Kräfte sind auch im vergleichsweise ruhigen Norden Afghanistans nicht mehr Herr der Lage. Bei einem Selbstmordanschlag im Distrikt Iman Sahib wurden am Montag mindestens 28 Menschen getötet. Ein Attentäter zündete einen Sprengsatz vor einem bewachten Regierungsgebäude. Gestern verabschiedeten sich die ISAF-Soldaten im Feldlager Masar-i-Scharif von den drei am Freitag vergangener Woche getöteten Kameraden.

»Sie waren praktisch schon fast auf dem Heimweg«, sagte Otto Probst. Ende März sollten die Angehörigen des Panzergrenadierbataillon 112 aus Afghanistan heimkehren. Probst ist Bürgermeister der Bayernwaldgemeinde Langdorf. Er und die anderen gut 2000 Bewohner des Urlaubsortes beklagen den Tod eines Bürgers. Der 30-jährige Hauptfeldwebel, der Frau und Tochter hinterlässt, starb am 18. Februar 2011 am »OP North« in Nordafghanistan. So wie die anderen beiden Getöteten, die von einem Soldaten der Afghanischen Nationalarmee erschossen wurden, diente er in der Bayernwald-Kaserne in Regen.

Verstört reagierte auch Probst Bürgermeisterkollegin Ilse Oswald aus Regen. Die »brutalste Wahrheit den Krieges trifft jetzt mit voller Härte«. 51 Jahre war die Gemeinde verschont geblieben von solchen Nachrichten, nun, sagte Frau Oswald den traditionellen Faschingszug ab. Regens Pfarrer Josef Ederer, der – so war es vor dem Abrücken der Soldaten ins Feld besprochen worden – gemeinsam mit Bundeswehr-Seelsorgern zu den Familien ging, um die Todesnachrichten zu überbringen, will in Gottesdiensten der Toten gedenken.

Wie weiter? Heilt die Zeit wieder einmal alle Wunden? CSU-Parteigänger Probst, der selbst 34 Jahre beim »Bund« diente, fühlt sich hilflos: Er weiß nur: »Dieser sinnlose Krieg soll endlich aufhören.«

Er hört nicht auf, nicht von alleine und schon gar nicht durch einen Abzugsbefehl, wie ihn die große Mehrheit der Deutschen befürworten würde.

Dagegen setzt Bundeswehr-Generalmajor Hans-Werner Fritz, der noch bis zum Donnerstag Chef des Regionalkommandos Nord ist, einen geradezu optimistischen Traum: »Eines Tages«, so sagte er in der »Welt«, »möchte ich hier her mal zu Besuch kommen, ohne Uniform, ganz normal als Tourist, zusammen mit meiner Frau. Ihr würde ich dann gern sagen: Guck mal, hier sind wir gewesen, hier ist gekämpft worden, hier war es zum Teil sehr schwer, und guck dir's jetzt an, jetzt blüht's.«

Es ist eher so, dass den Bundeswehrsoldaten derzeit noch so einiges »blühen« wird. Immer stärker werden sie bedrängt von den sogenannten Aufständischen – Taliban sind dabei, aber auch Leute, die der Al-Qaida-Ideologie folgen, das Hakkani-Netzwerk ist ebenso aktiv wie die Hesb-i-Islami und die Islamische Bewegung von Usbekistan.

Möglich, dass der afghanische Todesschütze zu einer dieser Gruppen gehörte und in die neue Kabuler Armee eingeschleust wurde. Möglich aber auch, dass ein feindlicher Kämpfer mit Armeezeugs, das auf jedem Basar zu kaufen ist, in den Stützpunkt eingedrungen ist. Vielleicht trieb ihn auch nur Frust zum Amoklauf. Die getöteten deutschen Soldaten waren gerade mit der Wartung ihres Schützenpanzers »Marder« beschäftigt, als sie ins Visier des Aufständischen gerieten.

Diese gefechtsstarken Panzerfahrzeuge sind gefürchtete Waffen. Sie werden bei der Quick-Reaktion-Force, also den ISAF-Angriffsverbänden, die man jetzt bei der Bundeswehr verharmlosend Schutz- und Ausbildungsbataillone nennt, eingesetzt. Die gepanzerten deutschen Raubtiere sind beweglich, halten Feinde auf Abstand, die Geschosse der Maschinenkanone zerstören nahezu jede Deckung der Angreifer, deren Bewaffnung und Qualifikation bislang nicht ausreichte, deutsche »Marder« und ihre Besatzungen erfolgreich zu bekämpfen.

Ende 2006 hatte man erstmals vier »Marder« nach Mazar-i-Sharif gebracht. Inzwischen gehören dem afghanischen Rudel fast 30 Fahrzeuge an. Doch sie haben ihren Schrecken offenbar eingebüßt. Am 18. Februar, dem Todestag der drei Panzergrenadiere aus Regen, registrierte das deutsche Kommando acht Kilometer nordwestlich von Kundus einen weiteren Verlust. Vier deutsche Soldaten waren bei einem Überfall verwundet und ein »Marder« in Brand geschossen worden.

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