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Ägyptens Beispiel treibt Iraker auf die Straßen

Am »Tag des Zorns« forderten Tausende Demonstranten eine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen

  • Karin Leukefeld, Damaskus
  • Lesedauer: 3 Min.
Der »Tag des Zorns« gegen Korruption, Arbeitslosigkeit und schlechte Grundversorgung war am Freitag in Irak von tödlichen Angriffen auf die Demonstranten überschattet.

In Kirkuk wurden mindestens drei Menschen von Sicherheitskräften erschossen, fünf Menschen sollen in Mossul getötet worden sein. In Ninive eröffneten Sicherheitskräfte ebenfalls das Feuer auf Demonstranten, nachdem diese ein Regierungsfahrzeug in Brand gesetzt und Steine gegen ein Regierungsgebäude geworfen haben sollen.

In der südlichen irakischen Provinz Basra konnten die Demonstranten derweil einen handfesten Erfolg verzeichnen. Seit Wochen hatten Tausende den Rücktritt von Gouverneur Sheltag Abboud gefordert, dem sie Versagen bei der Grundversorgung der Bevölkerung und Korruption vorwarfen. Am Freitag erklärte der Gouverneur seinen Rücktritt, nachdem sich erneut 4000 vor seinem Amtssitz versammelt hatten.

In Bagdad hatten sich auf dem zentralen Tahrir-Platz um die Mittagszeit etwas 3000 Menschen versammelt. Hubschrauber kreisten über dem Platz, der Übergang vom Tahrir-Platz zur Jumhuriya-Brücke, die zur »Grünen Zone« führt, war mit Betonblöcken abgesperrt. Verschiedentlich kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten, als diese versuchten, Absperrungen zu überwinden.

Ministerpräsident Nuri al-Maliki hatte zuvor die Demonstrationen am »Tag des Zorns« mit »Aufständischen, Saddam-Anhängern« und der verbotenen Baath-Partei in Verbindung gebracht und die Iraker aufgefordert, zu Hause zu bleiben. Um seinem Aufruf Nachdruck zu verleihen, hatte Maliki am Freitag in Bagdad ein Fahrverbot verhängt, das Demonstranten daran hindern sollte, sich den Protesten anzuschließen.

Seit Tagen hatten Iraker per Internet für den »Tag des Zorns« am Freitag nach dem Mittagsgebiet mobilisiert, der in allen Provinzen stattfinden sollte. Sunnitische und schiitische Kleriker hatten den Aufruf unterstützt, auch irakische Nichtregierungsorganisationen forderten zur Teilnahme an den Protesten auf, betonten gleichzeitig die Notwendigkeit, gewaltfrei zu bleiben. Nach den Drohungen Malikis allerdings machten die schiitischen Geistlichen Muktada al-Sadr und Großayatollah Ali al-Sistani kurzfristig einen Rückzieher. Das Büro von Sistani warnte vor möglichen »Provokateuren«, die die Proteste zu Angriffen auf Regierungseinrichtungen nutzen könnten. Gleichzeitig betonte er erneut die Legitimität der Forderungen, die von der Regierung erfüllt werden müssten.

Bisher waren Proteste in Bagdad auf dem Ferdos-Platz organisiert worden, auf dem die Statue von Saddam Hussein am 9. April 2003 von US-Soldaten medienwirksam vom Sockel gestürzt worden war. Zur Unterstützung des ägyptischen Aufstandes auf dem Tahrir-Platz in Kairo hatten allerdings Aktivisten seit dem 25. Januar auf dem Tahrir-Platz in Bagdad ein Zeltlager errichtet, wo sie auch die mangelhafte Versorgung der Iraker acht Jahre nach dem Sturz von Saddam Hussein anprangerten.

Der amtierende irakische Minister für Öl und Elektrizität, Hussein al-Shahristani, versprach derweil, dass der Strommangel bis zum Sommer 2013 weitgehend gelöst sein solle; schon vor den Protesten hatte die Regierung erklärt, die eigenen Gehälter von monatlich etwa 23 000 US-Dollar zu halbieren.

In Ägypten kamen am Freitag Hunderttausende auf dem Tahrir-Platz in Kairo zu einem »Tag der Solidarität« zusammen, um ihre Sympathie mit den Bevölkerungen in Libyen, Irak, Jordanien und Jemen zu demonstrieren. Gegenüber der Militärregierung in Kairo forderten die Menschen die Umsetzung ihrer Forderungen. Das vor wenigen Tagen vereidigte Übergangskabinett lehnen sie ab. Ex-Präsident Husni Mubarak, der sich am 11. Februar in den Badeort Scharm el Scheich abgesetzt hatte, müsse vor Gericht gestellt werden.

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