Berlusconis Marathon vor den Schranken des Gerichts
Auf Italiens Ministerpräsidenten rollt eine Welle von Prozessen zu
In Mailand wurde am Montag der Prozess wieder aufgenommen, in dem Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi unter anderem wegen Steuerhinterziehung und Bilanzfälschung angeklagt ist. In den kommenden fünf Wochen erwarten den italienischen Regierungschef noch drei weitere Gerichtsverfahren mit den unterschiedlichsten Anklagepunkten.
Der Angeklagte Berlusconi ist gestern nicht im Gerichtssaal in Mailand erschienen, wo er nicht nur von den Richtern, sondern auch von Dutzenden von Journalisten und Fotografen erwartet wurde. Der Prozess war im April letzten Jahres unterbrochen worden, weil Berlusconi mit seiner Parlamentsmehrheit ein Gesetz verabschiedet hatte, das die Prozesse de facto gestoppt hatte, so lange er im Amt ist. Dieses Gesetz wurde dann Ende des Jahres vom Verfassungsgericht für ungültig erklärt. Berlusconi wird – gemeinsam mit elf weiteren Angeklagten – beschuldigt, Steuern beim Ankauf von Filmrechten hinterzogen zu haben. Bei seiner Firma Mediaset geht es um Steuervergehen beim Verkauf von Film- und TV-Rechten. Berlusconi und sein Konzern sollen dabei 470 Millionen Euro schwarz in Übersee verdient und also nicht versteuert haben.
Gestern hat also der »Prozessfrühling« des italienischen Ministerpräsidenten begonnen, der am 6. April in dem ersten Verhandlungstag wegen Prostitution mit Minderjährigen und Amtsmissbrauchs gipfeln wird. Am Sonnabend hingegen geht es im sogenannten Mediatrade-Prozess erneut um Steuerhinterziehung. Am 11. März wiederum muss sich Berlusconi wegen Zeugenbestechung verantworten. Er soll dem britischen Anwalt David Mills 600 000 Dollar gezahlt haben, damit dieser in einem anderen Prozess wegen Bestechung eine Falschaussage zu Gunsten Berlusconi leistete. Dieser Fall ist für den italienischen Ministerpräsidenten besonders brisant, da Mills bereits wegen Falschaussage verurteilt wurde und es in der Urteilsbegründung heißt, er habe dafür Geld von einem gewissen Silvio Berlusconi erhalten. Aber all diese Prozesse verblassen natürlich angesichts der Anklage gegen Berlusconi wegen Prostitution mit Minderjährigen, über die dann ab dem 6. April verhandelt werden wird.
Berlusconi hat in den letzten Tagen erklärt, er habe bereits 340 Millionen Euro an seine Anwälte gezahlt, die übrigens alle Abgeordnete seiner Partei »Volk der Freiheit« sind. Aber seine Verteidigung fand bisher ja weniger in den Gerichtssälen statt, als vielmehr im Parlament, wo er immer wieder Gesetze verabschieden ließ, die ihn vor Strafverfolgung schützen. Und das ist wohl auch jetzt seine Strategie. Der Ministerpräsident hat erklärt, dass er in den kommenden Tagen eine »umfassende Reform der Justiz und der Prozessordnung« auf den Weg bringen wird, bei der es in erster Linie darum gehen soll, sich selbst aus der Schusslinie zu ziehen. Dem gleichen Zweck dient ein Gesetz, das die Immunität für Parlamentarier wieder einführen will, die erst vor wenigen Jahren abgeschafft worden war. Weiter wird Berlusconi versuchen, alle Prozesse, die ihn betreffen, so weit wie möglich in die Länge zu ziehen, damit sie verjähren, bevor es zu einer Verurteilung kommen kann.
Der Prozess, der gestern in Mailand begonnen hat, wurde jetzt auf den 11. April vertagt. Möglicherweise, so sagen zumindest seine Anwälte, wird Berlusconi an diesem Tag im Gerichtssaal erscheinen.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.