Hariri-Fraktion sinnt auf Revanche

Haltung zu Hisbollah und UN-Tribunal spaltet Libanon

  • Karin Leukefeld, Beirut
  • Lesedauer: 4 Min.
Der Machtwechsel in Libanon hat nicht zur Beruhigung der gespannten Situation beigetragen. Eine Regierung der nationalen Einheit ist momentan in weiter Ferne.

»Uns geht es schlecht, die Politiker streiten sich, das Volk muss zusehen, wo es bleibt.« Issam zuckt mit den Schultern als Zeichen, wie sehr ihm das ewige Machtgerangel libanesischer Politiker missfällt. »Immerhin gibt es in diesem Jahr ordentlich Regen, das ist gut für die Landwirtschaft.« Issam arbeitet in einem Familienhotel in Beirut, zum Glück habe er Arbeit und könne seine Familie ernähren, sagt er. Von den knapp 300 Dollar im Monat versucht er, seinen Kindern eine gute Ausbildung zu sichern, viel bleibt nicht übrig, angesichts der ständig steigenden Lebenshaltungskosten.

Draußen schüttet es, die Libanesen stehen im Regen, seit das Land mal wieder ohne eine Regierung ist. Die alte stürzte im Januar über das umstrittene UN-Sondertribunal, das ausgerechnet die Hisbollah für den Mord an dem früheren Ministerpräsidenten Rafik Hariri im Jahr 2005 verantwortlich machen will. Die neue ist noch nicht gebildet, weil der Sohn Hariris und bisherige Ministerpräsident Saad Hariri sie boykottiert. Schlechte Aussichten für vertrauensbildende Zusammenarbeit.

Einen Monat nach seiner Wahl zum neuen Ministerpräsidenten hat Najib Mikati am Montag von der Hariri-Fraktion eine deutliche Abfuhr erhalten. Man werde in Zukunft eine »friedliche Opposition« bilden, um »Libanon zu verteidigen und die Verfassung zu schützen«, hieß es in einer Erklärung von Hariris »Bewegung des 14. März«. Die Regierung von Mikati werde man boykottieren, weil er nicht bereit sei, sich eindeutig hinter das UN-Sondertribunal zu stellen. Dem »Putsch« der Hisbollah, mit dem der bisherige Ministerpräsident Saad Hariri gestürzt wurde, werde man »entgegentreten«. Als Putsch bezeichnet Hariri den Rückzug von elf Ministern seines alten Kabinetts, nur zwei von denen waren von der Hisbollah.

Mit seiner neuen Kampagne »Nein« zu den Waffen (der Hisbollah), »Ja zum UN-Sondertribunal«. will Hariri sich deutlich von anderen politischen Kräften absetzen, wie er am Montagabend in einer Fernsehansprache klarstellte. Erst komme der Staat, dann die Waffen, so Hariri. Das Nein zu den Waffen richte sich nicht gegen den Widerstand der Hisbollah bei israelischen Übergriffen, sondern solle dazu beitragen, dass Waffen nicht gegen Libanesen erhoben werden dürften. Das UN-Sondertribunal sei wichtig, weil die Morde, die Libanon seit 2005 erschüttert hätten, »kein Zufall« gewesen seien. Hariri rief die Libanesen zur Teilnahme an einem Protestmarsch am 14. März auf, um gewaltfrei gegen die Waffen der Hisbollah zu demonstrieren. Libanon werde nicht aufrecht gehen, solange die Waffen gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt werden könnten.

Die nächsten Wahlen in Libanon sind zwar erst 2013, doch hat man schon jetzt den Eindruck, mitten im Wahlkampf zu sein. Auf Hausdächern und Plakatwänden werden Parolen des 14. März mit seinen »Ja«- und »Nein«-Botschaften verkündet. Damit weiß Hariri sich zwar sicher auf Kurs des UN-Sicherheitsrates, der entsprechende Resolutionen verabschiedete. Allerdings segelt er gegen den Wind im eigenen Land.

Die Rolle der Opposition für Saad Hariri und seine Anhänger ist ungewohnt. Bisher konnte sich der farblose Politiker der vererbten Hausmacht seines Vaters sowie der Unterstützung der USA, Westeuropas, Saudi-Arabiens und Ägyptens sicher sein. Doch Ägyptens Präsident Husni Mubarak ist entmachtet, der saudische König sieht sich einer wachsenden Opposition im eigenen Land gegenüber. Die EU-Nahostpolitik hat wenig Bedeutung in der Region, und die USA verharren weitgehend in Schockstarre, seit die Regimes, auf die Washington seine regionale Strategie baute, im Wüstensand versinken. Als Gewinner scheinen Iran und Syrien aus den aktuellen Aufständen hervorzugehen – Iran, weil der westliche Fokus auf sein Atomprogramm in den Hintergrund geraten ist; Syrien, weil Massenaufmärsche gegen Präsident Baschar al-Assad ausbleiben.

Sechs Jahre nach dem Mord an seinem Vater, hat Saad Hariri seinen Vertrauensbonus verspielt. Einen Großteil seiner Amtszeit habe er im Ausland und auf Reisen zugebracht, rechnete eine Zeitung vor. Bei vielen habe das Fragen nach der Ernsthaftigkeit seines Interesses für die Libanesen aufgeworfen. Zwar will jeder im Land wissen, wer hinter dem Hariri-Mord steckt. Doch das UN-Sondertribunal wird von vielen als politisches Instrument eingestuft, um die im Westen als Terrororganisation eingestufte Hisbollah in Misskredit zu bringen. Die Arbeit der UN-Ermittler besitzt wenig Glaubwürdigkeit.

Najib Mikati lässt sich nicht entmutigen. Jede Partei habe das Recht auf eine eigene Position, kommentierte er diplomatisch die Kampfansage Hariris. Sollte der »14. März« die Zusammenarbeit in einer Regierung der nationalen Einheit boykottieren, gebe es noch immer die Möglichkeit, eine Regierung von Technokraten zu bilden.

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