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»Strecknagel«

Jirka Grahl berichtet für ND von den Nordischen Ski-WM in Oslo

  • Lesedauer: 2 Min.
Neben der Spur – »Strecknagel«

Der Mann ist klein und drahtig, er trägt eine roten Anorak und eine Brille, und wie er da so steht, wirkt er beinahe verloren unter der riesigen Holmenkollenschanze – hier auf dem Vorplatz des Osloer Skimuseums. Dabei zählt er zu den Legenden dieses Ortes: Helmut Recknagel, der erste Nichtskandinavier, der hier den Spezialsprunglauf der Holmenkollenwoche gewinnen konnte. 1957, als 19-Jähriger! Schon aus der Ferne hört man seine kräftige Stimme und den Thüringer Akzent, den er immer noch hat, obwohl er schon so lange Jahre in Berlin lebt: »Mensch, wie geht's?«

Am Donnerstag hat ihm die größte Tageszeitung »VG« eine ganze Seite ihres WM-Magazins gewidmet. »Strecknagel« ist sie überschrieben und noch einmal wird Helmut Recknagels Heldengeschichte nacherzählt: Wie er hierherkam im März 1957 und die Norweger mit seinen mutigen Sprüngen überraschte. Im Nebel, wie so oft hier. 64 Meter waren damals eine ernorme Weite, sie wurden noch im Parrallelsprung erzielt, mit gestreckten Armen. Weil Helmut Recknagel dem norwegischen Reporter Oystein Jarlsbo sagte, er glaube, im V-Stil käme man mit gestreckten Armen noch weiter, hatte der die Idee zum »Strecknagel!«-Artikel.

»Der Name Recknagel ist allen über 50 noch ein Begriff hierzulande«, sagt Jarlsbo, »er klingt«. Den 74-Jährigen, der einst für Zella-Mehlis sprang, hat's gefreut in der Zeitung zu stehen, wie er sagt.

Die WM erlebt er als Tourist im Zuschauerraum: Jeden Tag kommt er hinauf zum Holmenkollen, mit Gunilla, der Mannschaftsbetreuerin von einst, mit deren Mann und einem Freund aus Berlin. Bei dem Ehepaar wohnt der Skisprung-Olympiasieger von 1960 auch: »Wir sind Freunde seit damals«, sagt Recknagel.

Im Holmenkollenmuseum war er auch schon und hat dabei eine kleine Enttäuschung erlebt. »2007 habe ich hier bei einer großen Feier meine Latten von 1957 überreicht«, erzählt Recknagel. »Und heute schaue ich nach, und sie stehen noch immer nicht hier.« Dabei habe ihm die Museumsdirektorin doch versprochen, seine zweieinhalb Meter langen Latten prominent einzusortieren: Neben Norwegens Björn Wirkola, der wie Recknagel dreimal die Vierschanzentournee gewann. »Jetzt habe ich der Direktorin gesagt, dass sie noch drei Monate Zeit hat, meine Ski hier ordentlich zu präsentieren«, droht Recknagel scherzend. »Im Mai mache ich hier Urlaub mit meiner Frau.«

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