Mehr pädagogische Freiheit

Initiative fordert vor dem Abgeordnetenhaus die Gleichstellung privater und staatlicher Schulen

  • Sonja Vogel
  • Lesedauer: 3 Min.

Gestern hatte die Volksinitiative »Schule in Freiheit« im Abgeordnetenhaus ihren großen Auftritt. Mit 24 420 gesammelten Unterschriften hatte sie sich eine öffentlich Anhörung erwirkt. Fünf Repräsentanten stellten dort den Fraktionen ihre Forderungen rund um die Gleichstellung von privaten mit staatlichen Schulen vor. Der Andrang war groß. Für rund 100 Interessierte mussten drei zusätzliche Räume zur Übertragung der Anhörung geöffnet werden. Schnell wurde indes klar, dass das Abgeordnetenhaus das Anliegen der Initiative im Prinzip teilt – in der Konsequenz allerdings nicht.

»Wir gehen vom mündigen Bürger aus«, führte Kurt Wilhelmi vom Omnibus für Demokratie ein. »Auch die Schulen, in denen er heranwächst, müssen mündig und selbstbestimmt sein.« Lehrpläne und Prüfungsordnungen müssten sich darum, anders als an staatlichen Schulen »aus der pädagogischen Praxis heraus entwickeln.« Schülersprecherin Laura Ehrich stieß in ihrem Statement in die selbe Kerbe. Mit 19 Jahren besucht sie bereits die fünfte Schule. So lange hatte es gedauert, bis sie eine passende Einrichtung gefunden hatte. »Unsere Gesellschaft ist pluralistisch, also müssen es auch die Schulen sein«, sagt Ehrich. Ihre Erfahrung an staatlichen Schulen sei, dass man für die Prüfung lerne – und nicht fürs Leben. Zentralisierte Lehrpläne und Prüfungsordnungen setzten mit ihrem »Paradigma der Vergleichbarkeit« Schüler und Lehrer gleichermaßen unter Druck. Ehrich forderte darum mehr Diversität – von fächer- und stufenübergreifenden Lernkonzepten bis zur Abschaffung von Noten.

Um die pädagogische Freiheit der Privatschulen zu sichern, braucht es allerdings eine ausreichende Finanzierung. Kernforderung von »Schule in Freiheit« ist darum, dass staatliche und private Schulen gleichberechtigt finanziert werden. Bisher erhalten Privatschulen in Berlin erst nach einer Wartezeit bis zu fünf Jahren Geld vom Land – und ab dann lediglich 60 Prozent der Beträge, die staatliche Schulen einstreichen. Eltern der Schüler freier Träger müssen entsprechend tief in die Tasche greifen. Für Henning Graner ein unhaltbarer Zustand. Er ist pädagogischer Mitarbeiter der privat finanzierten inklusiven Schule, die offen für alle ist. »Dennoch können nicht alle unsere Schule besuchen, denn wir sind auf die Erhebung von Schulgeld angewiesen.« Diese ungleichen Voraussetzungen von privaten und staatlichen Schulen befördere »soziale Selektion«. Die Volksinitiative zählt darauf, dass ein Wettbewerb zwischen den Schulen Schüler aller sozialen Schichten berücksichtigt – sich die soziale Gerechtigkeit gewissermaßen selbst regelt.

Auch Abgeordnete waren sich über die Fraktionsgrenzen hinweg einig darüber, dass es an staatlichen Schulen nicht frei genug zuginge. »Nach den diversen Bildungsmiseren sollte man wagen, Schulen mehr Freiheiten zu geben«, sagte Özcan Mutlu (Grüne). »Ohne staatliche Kontrolle wird es aber nicht gehen.« Auch Finanzierungsmodellen, die private Schulen besser stellen, standen die Abgeordneten offen gegenüber. Steffen Zillich (LINKE) befürchtete indes, dass Privatschulen nicht für alle zugänglich sein werden. Vielleicht wollten sie keine soziale Auslese betreiben – »aber sie findet statt, weil sich dort Eltern sammeln, die sich um die Bildung ihrer Eltern kümmern können«. Die bessere Ausstattung öffentlicher Schulen, in denen Einkommensunterschiede nicht zählten, stünde darum an erster Stelle.

»Schulen in Freiheit« erhielt als zweite Volksinitiative ein Rederecht im Abgeordnetenhaus. In sechs Monaten hatten sie deutlich mehr als die benötigten 20 000 Unterschriften gesammelt. Trägerin der Initiative ist das gemeinnützige Unternehmen »Omnibus für Demokratie«.

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