Ein Ende mit Schrecken
Bayern München verabschiedet sich in der Champions League auch vom letzten Titeltraum
Die Köpfe hingen tief gestern auf dem Trainingsgelände in der Säbener Straße. Die Lust auf das obligatorische Auslaufen war verschwindend gering, und hätte sich ein Frustrierter aus der Chefetage des FC Bayern unten auf dem Rasen blicken lassen, um die verkorkste Saison vorzeitig für beendet zu erklären, wären wohl alle Münchner Spieler sofort gegangen und erst im August zum Start der neuen Spielzeit wiedergekommen. »Wie es Samstag weitergeht, interessiert mich gar nicht. Der Stachel sitzt tief«, blickte Stürmer Mario Gomez zurück auf das bittere 2:3 am Vorabend gegen Inter Mailand – dem Aus im Achtelfinale der Champions League und dem Ende der letzten vagen Titelhoffnung.
»Die schwierigste Aufgabe wird nun, die Motivation hoch zu halten«, sagte Bayerns Trainer Louis van Gaal und meinte damit wohl auch sich selbst. Nach der missglückten Revanche für die Finalniederlage im vergangenen Mai hat der Niederländer nun keine Chance mehr, sich mit einem Erfolg im Sommer zu verabschieden. Für den 59-Jährigen wird es nun ein Ende mit Schrecken. »Das ist schmerzvoll. Wir haben den Sieg wieder verschenkt.«, so van Gaal.
Erneut genügte vor allem die vom Trainer im 39. Pflichtspiel zum 27. Mal durcheinander gewürfelte Hintermannschaft nicht den hohen Ansprüchen. Zwei Aussetzer in der Bayern-Viererkette reichten den kaltschnäuzigen Italienern, um durch Wesley Snejder (63.) und Goran Pandev (89.) die Partie noch zu drehen. »Wir haben ein gutes Spiel gemacht und mussten es nur noch fertig bringen«, klagte van Gaal.
Mehr als eine Stunde hatten die Bayern das Rückspiel dominiert und sich anfangs auch nicht von Inters Angreifer Samuel Eto’o irritieren lassen, der schon nach 180 Sekunden das bayerische Wohlfühlpolster vom 1:0-Hinspielsieg in Mailand mit einem Abseitstreffer wettgemacht hatte. Gomez mit einem akrobatischen Lupfer (21.) und Thomas Müller (31.) nutzten zwei der zahlreich heraus gespielten Torchancen zum 2:1.
Natürlich hätten der spielfreudige Franck Ribery, der schnelle Arjen Robben, Gomez und Müller schon vor der Pause für eine noch höhere Führung sorgen können. Aber bei den Bayern herrschte Einigkeit, dass zwei Treffer in einem Heimspiel reichen müssen, um zumindest nicht zu verlieren. »Es kann nicht sein, dass wir zuhause drei Gegentore bekommen. Und das gegen eine Mannschaft, die nicht dafür bekannt ist, schönen Angriffsfußball zu spielen«, klagte Flügelflitzer Robben.
Während die Nerazzurri weiter auf die Titelverteidigung hoffen dürfen, bleibt den Münchnern nur noch das viel zitierte Minimalziel. »Es muss leider weitergehen. Wir müssen die Qualifikation für die Champions League erreichen«, forderte der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge. Große Zuversicht für die verbleibenden acht Spiele gab es nach dem erneuten Nackenschlag nicht. »Wir sind nach dem 2:2 zusammengebrochen. Jeder hat die Verantwortung weitergeschoben«, ärgerte sich Gomez über den Versuch, das Ergebnis zu verwalten. »In der Bundesliga gibt es Mannschaften, die das genauso bestrafen werden.«
Den dritten Platz in der Bundesliga als letzten Strohhalm rund zehn Wochen vor Saisonende auszugeben, fiel beim FC Bayern ohnehin niemandem leicht. »Normal geht es für uns um mehr«, sagte Kapitän Philipp Lahm. »Diese Enttäuschung müssen wir erst mal verkraften.« Und mit der Vorstellung, ausgerechnet in der kommenden Spielzeit, in der das Finale der Königsklasse in München stattfindet, nur in der zweitklassigen Europa League anzutreten, wollte sich niemand beschäftigen. »Die Champions League ist ein Muss«, sagte Arjen Robben. »Ich weiß nicht, ob noch was zu retten ist. Diese Saison wird auf jeden Fall nicht mehr gut.«
Achtelfinale, Rückspiele Hin
Manchester* - Marseille 2:1 (1:0) 0:0
FC Bayern - I. Mailand* 2:3 (2:1) 1:0
Chelsea - FC Kopenhagen n. Red. 2:0
Real Madrid - Lyon n. Red. 1:1
Teams mit * im Viertelfinale.
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