Auf dem Weg zu keiner Weltwährungsordnung
Der Euro scheint an seinen inneren politischen und ökonomischen Widersprüchen zu zerbrechen
Die Finanzmärkte kann der Euro-Gipfel nicht beruhigen. Trotz der Aufstockung des Krisenfonds auf 700 Milliarden Euro sind die Risikoaufschläge für einige EU-Staaten auf neue Rekordhöhen geklettert. Die Zinssätze für griechische und irische Kredite sind nahe dem Höchstwert und der portugiesische Staat musste noch nie so viel für seine Schulden berappen wie heute. Euro-Skeptiker wie Euro-Befürworter halten dies für den Preis, der für die Europäische Währungsunion zu zahlen ist. Alternativlos ist jedoch weder diese Währungsunion noch die aktuelle Währungsordnung der Welt, wie ein Blick zurück belegt.
Linke Politiker, liberale Minister und Inflation bekämpfende Notenbanker haben in der Geschichte des Kapitalismus oft versucht, stabile Wechselkurse herbeizuführen. Dahinter steht die weit verbreitete Überzeugung, dass frei schwankende Wechselkurse den Handel hemmen und Volkswirtschaften in die Krise stürzen können. Was sicherlich passieren kann, wie die DDR-Bürger schmerzlich erfuhren. Einerseits. Anderseits sind auch die Erfahrungen mit festen Wechselkursen eher wechselhaft.
So erscheint die Ära des klassischen Goldstandards um 1900 vielen im Rückblick als eine auch wirtschaftlich goldene Zeit. Die Wechselkurse waren durch feste Goldparitäten, sprich feste Goldwechselkurse der verschiedenen Währungen, fixiert. Die ungeschriebenen Spielregeln sahen vor, dass die Stabilität von Gold und Währung absoluten Vorrang hatte. Mögliche negative Folgen für die Binnenwirtschaft wurden ausgeblendet. Die goldenen Fesseln drohten jedoch ständig zu zerreißen: durch rasantes Wachstum, durch das entstehen von Großkonzernen und durch die zunehmende Globalisierung der Wirtschaft. Auch nach dem Ersten Weltkrieg blieb Gold stofflich zu knapp und andere Devisen, wie Dollar oder Pfund, wurden als Währungsreserven akzeptiert. Doch aus Sicht der Devisenmärkte blieb auch dieser Mix unglaubwürdig, was die Weltwirtschaftskrise von 1929 begünstigte.
Das folgende Abkommen von Bretton Woods, Mitten im Kriege von den Westalliierten geschlossen, stand unter dem Eindruck dieser Turbulenzen. Bretton-Woods war ein System mit festen, aber politisch änderbaren Wechselkursen, mit dem Dollar als Leitwährung und Gold spielte weiterhin eine Rolle. Davon profitierte der expansive wirtschaftspolitische Kurs der Vereinigten Staaten. Zum Ärger der Konkurrenz. Gleichzeitig waren Länder wie die Bundesrepublik, die ideologisch auf Inflationsbekämpfung setzten, nicht mehr bereit, die Inflation aus den USA mitzufinanzieren.
Der anschließende Übergang zu flexiblen Wechselkursen bedeutete nur kurzzeitig die Erlangung geldpolitischer Flexibilität. Vor allem in den Schwellenländern Amerikas und Asiens wurde häufig der Wechselkurs an den Dollar gebunden. Auch China tut dies heute noch. Diese starren Modelle endeten jedoch häufig in verheerenden Währungs-Crashs wie der Asienkrise 1997.
Einen anderen Weg schlugen die westeuropäischen Länder ein. Vor dem Hintergrund enger Handelsbeziehungen und dem Ziel eines gemeinsamen Binnenmarktes wurde versucht, einen regionalen Währungsverbund zu schaffen. Der Prozess verlief nicht reibungslos, doch 1999 mündete der wirtschaftsliberale Maastricht-Vertrag in den Euro.
Doch auch der Euro scheint an seinen inneren politischen und ökonomischen Widersprüchen zu zerbrechen. Wirtschaftlich schwächere Länder wie Griechenland oder Portugal könnten mit einem flexiblen (also niedrigeren) Wechselkurs ihre Exporte ankurbeln und Touristen ins Land locken. Ein Allheilmittel sind Wechselkurse aber nicht, bestenfalls Mittel zum Zweck. Über diesen entscheiden dann Konzerne, Politiker oder das Volk.
Fakten & Zahlen
Der Gewinner ist: Türkei. Das Wachstum betrug 2010 über 7 Prozent (Griechenland: minus 1,4 Prozent). Ein Grund für das türkische Wirtschafts-»wunder« ist der Wechselkurs. Seit 2000 verlor die türkische Lira rasant an Wert. Die Währung wurde seither um das Fünffache abgewertet und dadurch wurden türkische Schiffe, Baudienstleistungen und Urlaubsreisen auf dem Weltmarkt spottbillig. Im selben Zeitraum konnte Nachbar Griechenland durch den Anschluss an den Euro keine Abwertung vornehmen und schlitterte in die Krise. ND/hape
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.