FDP sucht sich selbst

Partei bereitet Neuaufstellung vor

Sachsen-Anhalt raus, Rheinland-Pfalz raus, Baden-Württemberg gerade so drin – Rücktritte gab es bei der FDP am Montag noch nicht, aber es scheint sicher: Die Absturzserie wird mindestens einem in der Bundesspitze den Posten kosten. Die Partei habe die Botschaft der Wähler vom Sonntag verstanden, sagte FDP-Chef Guido Westerwelle am Tag danach. Bis zum Parteitag im Mai wolle man sich neu aufstellen, personell wie inhaltlich. Über das Team, das die FDP in die nächste Bundestagswahl führen soll, will die Partei am 11. April beraten.

Vor allem Fraktionschefin Birgit Homburger und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle stehen unter Druck. Homburgers Landesverband Baden-Württemberg halbierte sein Ergebnis und rutschte mit 5,3 Prozent mit Ach und Krach ins Parlament. Anders als die 45-Jährige, die ohnehin wenig Rückhalt in der Partei hat, ist es bei Parteivize Brüderle, der zuletzt als möglicher Westerwelle-Nachfolger gehandelt wurde. Brüderle steckt jedoch in der Klemme. Als Landesvorsitzender trägt er Verantwortung für das Desaster in Rheinland-Pfalz. Zusammen mit seinen offenen Worten im Kreise von Wirtschaftsbossen zur Abschaltung von Atomkraftwerken aus Wahlkampfzwecken hat er sich als Sündenbock qualifiziert. Freiwillig will der 65-jährige Brüderle jedoch nicht in Rente gehen.

Aber auch Westerwelles Zukunft ist offen. Denn klar ist, die Niederlagen sind keine Momentaufnahme, der Sturzflug hat vor Monaten begonnen, und zwar auf Bundesebene. Die FDP, die bei der Bundestagswahl 2009 mit 14,6 Prozent triumphierte, ist in Umfragen längst auf ihr einstiges 5-Prozent-Format zurückgestutzt. Der Parteichef war »auf Bewährung« – bis zum Ausgang der Landtagswahlen. Christian Lindner, Generalsekretär und Nachwuchsstar, wiederholt derzeit gern, es dürfe nicht allein um den Trainer, es müsse um das ganze Team gehen. Das verteilt zwar die Verantwortung, entlastet aber weniger die bisherige Führung, als dass es ankündigt, die Partei werde eher die größere als die kleinere Lösung suchen.

Die Liberalen wollen in den nächsten Wochen nicht nur über Köpfe, sondern auch über ihr Programm diskutieren. Zur wahlentscheidenden Atomfrage ließ Westerwelle am Montag alles offen. Lindner kündigte dagegen an, die »Bremsspur« für die Kernenergie in Deutschland werde kürzer werden. Dass insgesamt ein Kurswechsel nötig ist, haben nicht zuletzt die Umfragen am Wahlabend ergeben. Demnach ist die Glaubwürdigkeit der Partei selbst unter ihren verbliebenen Wählern im Keller. So meinen auch von ihnen viele, die FDP vertrete zu sehr nur eine Klientel und setze Wahlversprechen im Vergleich zu allen anderen Parteien am wenigsten um.

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