Goslars OB steht vor der Abwahl
Alle Fraktionen für vorzeitiges Amtszeitende
Er gilt als stur, beratungsresistent und nur eingeschränkt kommunikationsfähig. Goslars umstrittener Oberbürgermeister Henning Binnewies (SPD) steht unmittelbar vor der Abwahl. Die Einwohner der Harzstadt entscheiden am Sonntag, ob er sein Amt vorzeitig aufgeben muss. Die sechs Ratsfraktionen einschließlich der SPD werben mit Plakaten und Handzetteln dafür. Sie hatten das in der Goslarer Geschichte einzigartige Abwahlverfahren gemeinsam eingeleitet, weil sie sich eine weitere Zusammenarbeit mit Binnewies nicht vorstellen können. Seine reguläre Amtszeit hätte eigentlich erst 2014 geendet.
Binnewies ist seit 2006 Oberbürgermeister in Goslar. Zuvor war der Jurist im niedersächsischen Landwirtschaftsministerium tätig sowie in verschiedenen Landesbehörden in Hamburg und Hannover mit Wirtschafts- und Marktfragen befasst. In Goslar steht er seit Monaten unter anderem wegen Unregelmäßigkeiten bei den städtischen Finanzen unter Druck. Auch die geplante Anschaffung eines Luxus-Dienstwagens vom Typ Volkswagen Phaeton, Kündigungsdrohungen gegen streikende Kindergärtnerinnen und ein selbstherrlicher Umgang mit Mitarbeitern waren heftig kritisiert worden.
Binnewies selbst sieht sich gemobbt und fühlt sich unverstanden. Für ihn gehörten Streitereien im täglichen Geschäft dazu, sagte er noch am Mittwochabend bei einer mit rund 500 Zuhörern gut besuchten Podiumsdiskussion zum Abwahlverfahren. Beleidigend oder ausfallend sei er aber nie gewesen.
Zur Abstimmung am Sonntag wollen die Parteien möglichst viele Einwohner mobilisieren. Eine Abwahl ist nach der Niedersächsischen Gemeindeordnung nur unter bestimmten Bedingungen gültig. So müssen mindestens 25 Prozent der knapp 34 000 Wahlberechtigen mit Ja stimmen, gleichzeitig muss die Mehrheit der Wähler für die Abwahl sein. Bei einer Wahlbeteiligung von 25 Prozent wäre Binnewies also nur abgewählt, wenn alle Bürger dafür stimmen. Allerdings rechnet niemand damit, dass die Abwahl scheitern könnte.
Vor einem Jahr war im Stadtrat ein erster Abwahlantrag gegen Binnewies gescheitert. Die 16 Ratsmitglieder der SPD beteiligten sich damals nicht an der Abstimmung. Die notwendige Dreiviertel-Mehrheit kam nicht zustande.
Zwischenzeitlich bot Binnewies einen freiwilligen Amtsverzicht an. Er wollte das Rathaus zum 31. Mai verlassen, dann drei Monate Resturlaub abbauen und sein Dienstverhältnis zum 31. August beenden. Die SPD-Fraktion, die sich bis dahin allen Initiativen der anderen Parteien für ein Abwahlverfahren widersetzt hatte, war mit der Lösung zufrieden. Dann wurde aber bekannt, dass Binnewies zusätzlich auf eine Abfindung in Höhe von rund 250 000 Euro besteht. Für die SPD im Rat war damit das Maß voll. »Das können wir den Bürgern nicht vermitteln«, sagte Fraktionsvize Gerd Politz. Die SPD schloss sich daraufhin der Abwahl-Initiative der anderen Parteien an
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