Kulturszene in Bewegung
Die 3. Lange Nacht der Opern und Theater lockt heute zur Tour durch die Institutionen
An gewöhnlichen Tagen fallen die Menschen, die in die Berliner Theater und Opernhäuser gehen, im Passantenstrom der Metropole kaum auf. Zur Langen Nacht der Opern und Theater werden sie jedoch sichtbar. Vor allem der Vorplatz der Volksbühne, von dem vier der sieben Buslinien starten, die die Besucher in verschiedenste Teile der Stadt bringen, wird in der Nacht des 16. April zum pulsierenden Herzen des Berliner Kulturbetriebs.
Mit mindestens 20 000 bewegungsfreudigen Zuschauern rechnet Gabriele Miketta von der senatseigenen Kulturprojekte GmbH, die die Lange Nacht organisiert. Mikettas Hoffnungen sind begründet: 22 675 Besucher bei 51 Bühnen gab es zur ersten Langen Nacht vor zwei Jahren. Im Vorjahr kamen 20 399 Zuschauer in insgesamt 68 Opern-, Musical- und Theaterhäuser. In diesem April streben die 60 beteiligten Bühnen ein ähnliches Ergebnis an.
Vor allem von den kleineren Spielstätten wird die Lange Nacht wegen der mobilen Massen als Höhepunkt betrachtet. »Das war toll zu sehen, wie ganze Busladungen bei uns ankamen«, schwärmt Ludger Orlok, künstlerischer Leiter der Tanzfabrik, noch von der Erfahrung der vergangenen Jahre. »Es kommen viele Leute, die sonst recht wenig mit zeitgenössischem Tanz zu tun haben. Das Schöne ist, dass manche von dem Erlebnis so angesprochen wurden, dass sie auch zu Veranstaltungen danach kamen«, erzählt Orlok. Der Chef des Hebbel am Ufer, Matthias Lilienthal, hat von der letzten Langen Nacht noch in Erinnerung, »nie zuvor so viele Leute, die ich gar nicht kenne, in meinem Haus gesehen zu haben«.
Aber auch die Leuchttürme der Berliner Kultur profitieren von der Langen Nacht. »Viele Menschen, die sich sonst die teuren Tickets nicht leisten können, aber sehr an einem Besuch der Opernhäuser interessiert sind, nutzen die Lange Nacht für einen Blick ins Programm und hinter die Kulissen«, sagt Gabriele Miketta. Deshalb sieht sie es gern, wenn die Lange Nacht die Charakteristik der jeweiligen Häuser widerspiegelt. »In den Opern sollen möglichst Arien erklingen, in den Theatern Ausschnitte aus laufenden Inszenierungen zu sehen sein, in den Kabaretts Sketche dargeboten und in den Tanzspielstätten getanzt werden«, meint sie.
Gut auf die Programmplaner gehört hat die Komische Oper. Sie lockt mit dem 2. Akt von Andreas Homokis gefeierter Inszenierung von Puccinis Prekariats-Oper »La Bohème«. Das Staatsballett offeriert eine Trainingssession und eine Lecture-Demonstration mit Ausschnitten aus »Oz – The Wonderful Wizard«. »Wir hoffen natürlich, dass einige Leute neugierig werden und sich später die komplette Produktion ansehen«, meint Staatsballett-Sprecher Wolfgang Kaldenhoff.
Die im Schillertheater gastierende Staatsoper öffnet lediglich die Werkstattbühne, während auf der großen Bühne Alban Bergs Oper »Wozzeck« in der Regie von Andrea Breth Premiere feiert. Das ist zwar spektakulär, stellt aber auch eine unglückliche zeitliche Konstellation dar. Die Deutsche Oper setzt auf eine Klang- und Spielcollage namens »Kosmoschaoskosmos«.
Näher dran am eigenen Kernprogramm sind das Maxim Gorki Theater mit Ausschnitten aus der im Kleistjahr ganz angesagten »Penthesilea«-Inszenierung, das Theater unterm Dach mit Kostproben aus drei aktuellen Produktionen und das Ballhaus Naunynstraße mit Teilpräsentationen von gleich sechs verschiedenen Stücken. Der Kraftakt dieser jungen Bühne wird kontrastiert von der Entscheidung der künstlerisch etwas ermatteten Volksbühne, ihr Programm als Videoschleife anzubieten.
Als ein weiteres Spezifikum der Langen Nacht kristallisierte sich in der Vergangenheit die durch die Busshuttles inspirierte Lust der Berliner heraus, ihre gewohnten Kieze für einen Abend zu verlassen. »Wir haben festgestellt, dass viele Leute in Bezirke gehen, in denen sie sich sonst wenig aufhalten«, meint Miketta und verweist auf Charlottenburger Theaterkritiker, die von der Lichtenberg-Tour zum Theater an der Parkaue und der Schaubude hellauf begeistert waren. Letztere macht heute mit einer auf Figurentheater, Livemusik und Zirkus ausgeweiteten Adaption von Daniil Charms' »Zirkus Sardam« auf sich aufmerksam.
Das Theater an der Parkaue beginnt bereits um 16 Uhr mit dem Kindertanzstück »Bettina Bummelt« und zeigt im teilweise halbstündigen Rhythmus auf drei Bühnen und im Foyer acht Inszenierungen. Das Fleißbienchen hat sich dieses Haus bereits verdient.
3. Lange Nacht der Opern und Theater, Karten 15 Euro/ermäßigt 10, Kinder bis 12 Jahre 5 Euro, Sozialticket 3 Euro, Shuttle sowie BVG-Benutzung von 15 Uhr bis 5 Uhr des Folgetages inclusive
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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