Verfassungsschutz: Mehr militante Neonazis

Zahl der Rechtsextremisten nahm insgesamt ab / Rechte Gewalttaten in Ostdeutschland sinken leicht

  • Peter Sonntag
  • Lesedauer: 2 Min.
Die Zahl gewaltbereiter Neonazis nimmt zu, sagt Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm. Die Zahl der gewalttätigen rechten Übergriffe sinkt insgesamt leicht, bleibt aber hoch.

Nach Angaben des Verfassungsschutzes ist die Zahl gewaltbereiter Neonazis in Deutschland erneut deutlich gestiegen. »Die gewaltbereite Neonaziszene ist stärker geworden. Sie ist 2010 erneut um 600 auf 5600 Personen gewachsen«, sagte Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm der »Neuen Osnabrücker Zeitung«. Auch die Zahl der »Autonomen Nationalisten« (AN) sei wieder angestiegen, so Fromm – von 800 auf rund 1000. Die Zahl der Rechtsextremen insgesamt sei dagegen um 1600 auf rund 25 000 gesunken.

So entsteht der Eindruck, dass sich die rechte Szene ein Stück weg von festen Organisationsstrukturen hin zu aktionsorientierteren Netzwerken bewegt, zumal nach Verfassungsschutzangaben auch die Zahl der NPD-Mitglieder wieder abgenommen hat; um 300 auf rund 6600. In Berlin spiele in den letzten Jahren besonders die »Anti-Antifa« eine stärkere Rolle, sagte Annika Eckel von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus. Für Personen, die sich aktiv gegen Rechts betätigen, bestehe ein »reales Gefährdungspotenzial«. Gewalt sei ein integraler Bestandteil rechter Ideologie. Besonders die AN versuchten mit militantem Habitus inhaltliche Schwäche und Kampagnenunfähigkeit wettzumachen.

So jugendlich sich die AN nach außen geben, so aggressiv völkisch sind sie im Kern. »Die wollen modern und cool sein und damit auch anschlussfähig an andere Jugendsubkulturen«, sagte Eike Sanders vom »antifaschistischen pressearchiv und bildungszentrum« in Berlin. Aber die Zunahme der AN sei keine reine Altersfrage, es hänge auch davon ab, wie die NPD aufgestellt sei. Der Berliner Landesverband sei sehr neonazistisch geprägt. Dementsprechend eng sei die Verknüpfung mit der Kameradschaftsszene bzw. AN. In Sachsen dagegen gibt sich die NPD bürgerlicher. In den letzten Jahren gab es immer wieder heftigen internen Streit um den Umgang mit Kameradschaften und AN, aber auch oft enge Zusammenarbeit.

Die Opferberatungsstellen gaben am Montag ihre Zahlen für 2010 bekannt: In Ostdeutschland wurden mindestens 1416 Menschen Opfer rechter Gewalt. Insgesamt seien 704 rechtsmotivierte Gewalttaten registriert worden, 35 weniger als 2009, teilte der Verein Opferperspektive in Potsdam mit. Schwerpunkt war Sachsen mit 239 Fällen, darunter einem tödlichen Angriff auf einen 19-jährigen Iraker. In Berlin wurden 109, in Brandenburg 108, in Sachsen-Anhalt 106 und in Mecklenburg-Vorpommern 96 rechte Gewalttaten bekannt. Fast 90 Prozent der Fälle seien Körperverletzungen gewesen. In 388 Fällen richtete sich die Gewalt gegen meist junge Menschen aus linken und alternativen Milieus. 230 Mal war Rassismus die Tatmotivation. Vor allem in Sachsen-Anhalt nahm den Angaben zufolge die Zahl rassistisch motivierter Gewalttaten deutlich zu. »Es gab zu keiner Zeit einen Grund zur Entwarnung. Im statistischen Schnitt werden bundesweit täglich zweieinhalb rechtsextrem motivierte Gewalttaten registriert«, sagte Bundestags-Vizepräsidentin Petra Pau (LINKE) gegenüber ND.

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