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Wie kam ein rechtsextremes Pamphlet auf die Webseite der Duisburger LINKEN?

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 3 Min.
Allgemeines Entsetzen: Ein offen antisemitisches Flugblatt wurde über die Webseite der Duisburger Linkspartei verbreitet. Dort konnten mehrere Personen Daten hochladen – selbst banalste Sicherheitsmaßnahmen wurden nach ND-Recherchen außer Acht gelassen.

Über dem Flugblatt thront ein Logo, in dem ein Hakenkreuz und ein Davidstern miteinander verwachsen. Gewettert wird gegen die »Judenpresse« (gemeint ist eine angebliche »jüdische« Dominanz der Medien) und die »moralische Erpressung« durch den, Zitat: »sogenannten Holocaust«. »Wahrheit macht frei«, zitieren die Flugblattschreiber zustimmend eine Parole holocaustleugnender Neonazis. Schließlich werden Webseiten beworben, auf denen Hitlers »Mein Kampf« zum Download steht und allerlei wirre Verschwörungstheorien über »die wahren Hintergründe des Judaismus« zu lesen sind.

Da fällt der Aufruf, israelische Waren generell zu boykottieren, fast schon nicht mehr ins Gewicht. Ausgerechnet auf der Webseite des Duisburger Kreisverbandes der Linkspartei stand das Ekel-Flugblatt zum Download, wurde verlinkt und beworben auf der dort ebenfalls Heimat findenden Unterwebseite des parteinahen Jugendverbands solid. Und das zumindest über mehrere Monate, wie die Kreisvorsitzende Ute Abraham einräumte.

Gelöscht wurde das Flugblatt am Mittwochabend – nach Medienberichten über das unappetitliche Download-Angebot.

In einer umgehend veröffentlichten Pressemitteilung zeigte sich die LINKE Duisburg »empört« über die »antisemitische Veröffentlichung«. Sie sei, »wie wir heute erfahren mussten«, auf einer »Unterseite des parteiunabhängigen Jugendverbandes solid« zu finden gewesen. Jedoch habe man sie »unverzüglich« gelöscht. Der Kreisverband behalte sich vor, Anzeige gegen Unbekannt zu stellen. Empört sei man auch über Versuche, »der LINKEN die Urheberschaft dieses antisemitischen Pamphlets zuzuweisen«.

Auch die Spitzen von Landespartei, Landtagsfraktion und solid- Landesverband distanzierten sich unverzüglich von dem Flugblatt – und insbesondere dem darin enthaltenen Boykott-Aufruf. »Antisemitismus hat keinen Platz in der LINKEN, das war immer so und wird immer so bleiben«, so die Sprecherin der NRW-LINKEN, Katharina Schwabedissen. Falls »wider Erwarten« ein Parteimitglied für die Veröffentlichung verantwortlich sei, müssten Konsequenzen gezogen werden, betonte der Vorsitzende der Linksfraktion im Landtag, Wolfgang Zimmermann. Der Vorsitzende der Duisburger SPD, NRW-Innenminister Ralf Jäger, forderte von der LINKEN »eine lückenlose Aufklärung des gesamten Vorganges«.

In der Tat eine spannende Frage: Wie konnte das paranoide Flugblatt auf die Webseite der Duisburger Linkspartei gelangen? Hans-Werner Rook, Pressesprecher der Duisburger LINKEN, sagte, er halte es für möglich, dass sich ein Rechter in die Partei eingeschmuggelt und das Flugblatt eingestellt habe. Kreisverbands-Sprecherin Ute Abraham betonte, das »fälschlich veröffentlichte Papier« sei »vor Monaten auf dem Server der LINKEN Duisburg gelandet«. Erläuternd fügte Abraham an: »Entsprechend unseres partizipativen Grundverständnisses gibt es mehrere GenossInnen, die auf die Webseite des Duisburger Kreisverbands Zugriff haben.«

Ratsfraktionschef Hermann Dierkes forderte Konsequenzen: Zukünftig müsse die Zugangsberechtigung zu der Homepage des Kreisverbandes restriktiver vergeben werden. Auch müssten Änderungen auf der Webseite protokolliert werden. »Entsprechende Maßnahmen« seien umgehend eingeleitet worden, so Dierkes.

Bitter notwendig sind diese Maßnahmen: Nach ND-Informationen wurde die Vergabe von Zugangsdaten – diplomatisch formuliert – ausgesprochen lax gehandhabt, so dass auf technischem Wege nicht zu ermitteln sein wird, wer das Flugblatt hochgeladen hat. Selbst banalste Sicherheitsmaßnahmen, wie sie allgemein üblich sind, wurden vernachlässigt.

Gestern nahm die Staatsanwaltschaft Duisburg Vorermittlungen gegen die LINKE auf – wegen des Verdachts der strafbaren Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole. Anzeige erstattet hatte unter anderem der Journalist Stefan Laurin, Autor in Springers »Welt« und Betreiber des Weblogs »Ruhrbarone«, das den Fall als erstes öffentlich machte. Laurin geht offenbar davon aus, dass »Antisemiten in der Duisburger Linkspartei« das Flugblatt bewusst »zum Download angeboten« hätten. Der Kreisverband sei »kein unbeschriebenes Blatt«. So habe Fraktionschef Dierkes zum Boykott israelischer Waren aufgerufen und das Existenzrecht des jüdischen Staates als »läppisch« bezeichnet.

Dierkes jedoch betonte gestern: »Berechtigte Kritik an der israelischen Unterdrückungspolitik gegenüber den Palästinensern darf nicht mit antisemitischen Klischees und der Leugnung des Holocaust vermengt werden.«

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