Reichlich Schmiere im Fünftürer
Katharina Thalbachs Inszenierung »Der Raub der Sabinerinnen«
Meine Güte, ist das eine Klamotte – und doch ein Klassiker. Der berühmte Kritiker Alfred Kerr, der mit Theaterleuten hart ins Gericht zu gehen pflegte, schrieb nach der Erstaufführung von »Der Raub der Sabinerinnen«, dass die Leute unter den Stühlen gelegen hätten. Er auch. So viel wurde gelacht. Es ist spürbar, dass bereits die Autoren Franz und Paul von Schönthan beim Schreiben des Stücks Spaß hatten. Franz von Schönthan (1849-1913) schuf beispielsweise auch ein Lustspiel namens »Sodom und Gomorrha«. Das wundert mich nicht. Bei der Liebe zu chaotischen Zuständen.
An der humoristischen Wirkung des 1884 geschriebenen Stücks »Der Raub der Sabinerinnen« änderte sich auch nichts, nachdem Curt Goetz es überarbeitete und es sich nicht nehmen ließ, 1955 die Hauptrolle am Renaissance Theater selbst zu spielen. Die Darstellung des Theaterdirektors Emanuel Striese gilt für Komödianten als das Größte. Das kann man nur mit deren Herzblut und deren Anspruch spielen.
Für Lachtränen sorgt nun Katharina Thalbach, die große Komödiantin unserer Tage. Sie inszenierte das Stück erstmals 2003 am Volkstheater Rostock, brachte es 2006 ans Potsdamer Hans Otto Theater. Jetzt ist es mit neuer Besetzung in der Komödie am Kurfürstendamm zu sehen. Die Thalbach verkörpert Theaterdirektor Striese und noch dessen Frau Luise. Verkörperung ist das richtige Wort für beide Rollen, in denen die Schauspielerin durchs Kostüm wie aufgepumpt wirkt. Überdies kommt ihr Striese aus Leipzig. »Raub der Sabinscharinnen«, sagt er.
Einfach wie verzwickt ist die Geschichte um Gymnasialprofessor Gollwitz (Markus Völlenklee), der sich in seiner Jugendzeit am Schreiben einer römischen Tragödie versucht hatte. Das ist ihm im Alter peinlich. Andererseits begeistert ihn sein Stück heute noch. Gerade wühlte er es wieder hervor und las es der Hausangestellten Rosa (Swantje Henke) vor, der prompt Tränen der Rührung rannen. Die herrschsüchtige Frau Professor (Andreja Schneider) ist nämlich mit der jüngeren Tochter Paula (Anna Thalbach) noch zur Kur in Heringsdorf. Da ist zu Hause nichts los – bis auf das Hereinschneien von Tochter Marianne (Nadine Schori) und Schwiegersohn Dr. Neumeister (Richard Barenberg).
Striese dringt auch zu Gollwitz vor. Für sein gastierendes Ensemble im Schützenhaus will er schließlich die wichtigsten Leute des kleinen Ortes auf seiner Seite haben. Kurzum – er entdeckt das von Gollwitz geschriebene Stück und findet es »härrlisch« für sein Schmierentheater. Er gewinnt den sich zierenden Autor dafür, das »Werk« unter Pseudonym auf die Bühne zu bringen. »Eine Schmiere, Herr Doktor, das ist ein Platz, ein Plätzchen, wo auf wenigen Quadratmetern mehr Hingebung verlangt und gegeben wird, als Sie es sich in Ihrem bürgerlichen Hochmut überhaupt vorstellen können...« Später kürzt er zwei Akte raus. Erstens könne nicht durchfallen, was gestrichen sei. Zweitens reichten sonst seine Leute nicht. Da muss ein Uniformierter eine Garnison spielen. Aber den wunderbaren Text: »Und müsste ich im Staube vor Dir liegen. Du kannst mein Herz wohl brechen, doch nicht biegen«, lässt er unbehelligt. So nimmt die Sache ihren Lauf. Luise Striese inszeniert.
In der Nebenhandlung geht es um Jugendsünden anderer. Dafür treten Siegfried Kadow als Weinhändler Gross und Tobias Schulze als sein Sohn Emil auf den Plan. Ein herrliches Durcheinander in einem einzigen Bühnenbild von Mike Hahne. Braucht die Schmiere ausreichend Abgänge – er schuf einen prächtigen wie praktischen Fünftürer fürs Raus und Rein.
Im Stück wie im Stück geht die Sache gut aus. Bei der Premiere am Kudamm gab es viele Vorhänge. Fast so viele wie bei Striese. Zweieinhalb Stunden viel Engagement auf kleinem Raum. Samt Running Gag und sprechendem Kakadu.
Bis 31.5., 11.-19.6., Komödie am Kurfürstendamm 206, Charlottenburg, Tel.: 88 59 11 88
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