Zu viel Regen bringt Restlöcher ins Rutschen
Bergbausanierer LMBV erlebte 2010 erneut böse Überraschungen / Seen-Bau wird dennoch wie geplant fortgesetzt
So schön kann das Leben nach der Kohle sein: Zwei elegant geformte schwimmende Häuser mit großen Fenstern liegen am Geierswalder See am Pier. Wo einst Schaufelradbagger Braunkohle unter dem Lausitzer Sand hervorholten, liegen jetzt Urlauber in der Sonne, die auf den See scheint. Zwar ist das Wasser noch sauer wie Zitronensaft; in den Bergbauhalden, durch die das Grundwasser aufsteigt, ist viel Eisen und Schwefel enthalten. Doch am Steg liegen bereits Motor- und Segelboote, ein Restaurant hat geöffnet und lädt zur Grillparty mitten auf dem See.
So wie am Ufer des Geierswalder Sees sieht im Idealfall das Ergebnis der Arbeit aus, die von der Lausitzer und Mitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft LMBV seit 1994 geleistet wird. Für bisher 9,1 Milliarden Euro sanierte das bundeseigene Unternehmen die vom Braunkohlenbergbau der DDR hinterlassenen Flächen und Gruben, wobei in Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen 51 neue Seen entstehen. Die größten werden mit Kanälen und Schleusen verbunden, wodurch sowohl bei Leipzig als auch in der Lausitz Erholungslandschaften entstehen.
Allerdings gibt es bei der Anlage der Seen, der Befestigung von Böschungen oder Kippen immer wieder Überraschungen. 2009 rutschte ein Uferabschnitt in den entstehenden Concordiasee in Nachterstedt; drei Menschen kamen ums Leben. Um die Ursachen des Unglücks zu ermitteln, wird zur Zeit von Pontons aus gebohrt; Anfang 2012 will man Gewissheit haben.
Gut ein Jahr später war es nur glücklichen Umständen zu danken, dass es nicht erneut Tote gab: Im Oktober kam es zu einem Grundbruch in Spreetal. 4,5 Millionen Kubikmeter Kippe mitsamt vier Lastwagen gerieten ins Rutschen; deren Fahrer wurden indes gerettet. Ursache war der starke Dauerregen im Sommer, der im August bereits die Neiße über die Ufer hatte steigen lassen. Deren Fluten zerstörten 600 Meter Böschung am Ex-Restloch Berzdorfer See.
Auch wenn der Regen als Ursache ausgemacht ist, war der Bergrutsch in Spreetal doch »ein einschneidendes Ereignis«, so Mahmut Kuyumcu, LMBV-Geschäftsführer, gestern bei der Jahresbilanz. Einschneidend, weil er vor Augen führte, dass »die Bergbaufolgelandschaft noch nicht überall standsicher ist«, sagt Kuyumcu. Um auf Nummer sicher zu gehen, sperrte die LMBV danach 17 900 Hektar bereits freigegebene Flächen und überprüfte erneut die Sicherheit. Viele der Flächen bleiben gesperrt; für die weitere Sanierung müssen teils neue Technologien genutzt werden, bei deren Entwicklung ein Geotechnischer Beirat helfen soll. Generell, betont Kuyumcu, sei das Sanierungskonzept aber »nicht in Frage gestellt«.
Die LMBV wird daher weiter an den neuen Seen arbeiten – mit einer auf 691 verstärkten Mannschaft: Nach den Unglücken von Nachterstedt und Spreetal wurden weitere Experten angeheuert. Arbeit hat das Unternehmen genug, auch wenn die meisten Seen bis Mitte des Jahrzehnts fertig sind. Bis ihr Wasser wirklich Badewasserqualität hat, bedarf es noch vieler Anstrengungen. Dazu kommt ein weiteres Problem: nasse Keller. Der Sommer 2010 hat das Problem verschärft; über 3000 Anwohner meldeten Wasserschäden. Generell aber sorgt das Grundwasser, das mit Ende des Bergbaus aufsteigt, zwar für volle Seen, aber in Städten wie Hoyerswerda, Delitzsch und Bitterfeld auch zunehmend für volle Keller. Abhilfe sollen Bagger bringen, die nicht mehr Kohle fördern, sondern Entwässerungsgräben ausheben.
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