Hochschulnovelle im Abgeordnetenhaus
Universitätspräsidenten fordern in Offenem Brief weitere Lesungen / Studierende protestieren
Gestern Abend stand die Entscheidung über die Novelle des Berliner Hochschulgesetztes an. Nach langen Auseinandersetzungen hatte es das vom rot-roten Senat gewünschte Gesetz »zur Modernisierung des Hochschulzugangs und zur Qualitätssicherung von Studium und Prüfung« zur Abstimmung ins Abgeordnetenhaus geschafft. Eigentlich reine Formsache. Bis zum Redaktionsschluss war nicht bekannt, wie die Abgeordneten entschieden.
Fast in letzter Minute erreichte gestern ein offener Brief die Öffentlichkeit. Darin wurden die Abgeordneten gebeten, das Gesetz »nicht im Eilverfahren« zu beschließen. Das Brisante daran: Unterzeichnet haben die Präsidenten der Freien Universität (FU), Humboldt-Universität (HU) und Technischen Universität (TU), Studierende, Mitarbeiter- und Hochschulgruppen. Sie fordern eine dritte Lesung, »in der die Stellungnahmen der Betroffenen wirklich Berücksichtigung finden«. Trotz einiger Nachbesserungen befürchte man »extrem negative Auswirkungen auf alle betroffenen Gruppen«.
In den letzten Monaten hatte es Kritik auch an den überarbeiteten Entwürfen gehagelt. Studierende liefen Sturm gegen Zwangberatungen und eingeschränkte Wahlfreiheit. Die Hochschulleitungen beschwerten sich über eine »Überregulierung«. Gegen die Einführung einer Personalkategorie mit Schwerpunkt Lehre protestierten alle Betroffenen.
Auch gestern hatten Studierende von FU, HU und TU am Pariser Platz wieder gegen die Novelle protestiert. »Wir hoffen, ein deutliches Signal an die Berliner Politik und die Öffentlichkeit schicken zu können«, sagte HU-Student Paul Dietrich. Tatsächlich hat die anhaltende Kritik Spuren am Gesetz hinterlassen. Unterschieden sich die ersten drei Versionen noch kaum voneinander, ist die vierte etwas zurückgenommener. »Insgesamt versucht der vorliegende Novellierungsvorschlag zu entschärfen«, sagte Anne Schindler vom Allgemeinen Studierenden-Ausschuss (AStA) der FU. »Er lässt aber die grundsätzlichen Probleme bestehen.«
So ist zwar die Zwangsexmatrikulation im aktuellen Entwurf erschwert. Trotzdem fürchten die Studierenden, die Kann-Bestimmung ermögliche eine Reihe von Härtefällen. Die Verschulung des Studiums war der Hauptkritikpunkt der Studierenden am Bachalor-System. Künftig sollen nun »in der Regel ein Fünftel« des Studiums frei wählbar sein. »Das ist eine Verschlechterung des Status quo«, meinte Christian Elias vom AStA der TU. Die geplante Ausweitung des Teilzeitstudiums hingegen begrüßt er: »Die Regelung ist toll, sie wird aber kaum stattfinden.« Die Berliner Universitäten haben bereits vorab erklärt, der zusätzliche Aufwand sei nicht zu finanzieren. Nicht gerüttelt wurde an Mitbestimmungsmöglichkeiten.
Trotz aller Kritik verblieb die neue Personalkategorie im Gesetz. Zwar bleibt die Entscheidung über deren Einführung den Universitäten überlassen. Doch ist zu fürchten, dass der Senat so ohne weitere Ausgaben die heute durch doppelte Abiturjahrgänge ungleich hohe Zahl von Studienanfängern kompensieren will. »Dieses Lehrpersonal wird sich als willkommene Einsparmöglichkeit etablieren«, glaubt Elias. Dass sich bei einem Regierungswechsel nach der Wahl das Hochschulgesetz kippen lässt, hält er für unrealistisch.
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