Stromkonzerne ohne Zukunft?
Von der Energiewende könnten vor allem kleine Unternehmen profitieren
Über das Tempo wird gestritten, das Ziel aber ist klar: Die deutsche Politik möchte eine Stromversorgung mit einem möglichst hohen Anteil an erneuerbaren Energien. Das könnte kleinen Unternehmen mehr Vorteile bringen als großen Konzernen, meinen nun Experten.
Die »Klima-Allianz«, ein Zusammenschluss aus über 100 Umwelt- und Entwicklungsorganisationen, hatte für gestern zum »alternativen Energiegipfel« nach Berlin geladen. Auf dem Programm stand auch die Rede eines ungewöhnlichen Gasts: Christoph Kuplent, der als Analyst für Merrill Lynch arbeitet, einer Tochterfirma der Bank of America. Er beobachtet die Aktienkurse europäischer Energiekonzerne.
Um die Wende hin zu 100 Prozent regenerativen Energien zu schaffen, empfiehlt er eine »Re-Regulierung« des Strommarktes. So könnten etwa Subventionen gezahlt werden. Bereits jetzt basiere der Ausbau von Wind- und Sonnenkraft auf der Ausschaltung des freien Marktes. Wer regenerativen Strom erzeugt, kann sich schon heute über eine staatlich festgelegten Einspeisevergütung freuen.
»Opfern wir die Effizienz des Marktes der Planungssicherheit«, fordert Kuplent. Aus Sicht eines Investors scheint diese Position durchaus verständlich. Profitieren könnten aber auch kleinere Energieunternehmen. Wenn das finanzielle Risiko sinke, könnten sie auch in größere Projekte investieren, argumentiert Kuplent. Große Konzerne würden dann nicht mehr gebraucht.
Vertreter dieser Konzerne widersprechen dem: Auch in einem regulierten Markt gebe es bei großen Unternehmen »Effizienzgewinne«, sagt etwa Uwe Knickrehm von EnBW.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Jung glaubt jedoch, dass die Großunternehmen durch den Umbau des Energiesystems Marktanteile verlieren werden. Es sei »klar, dass die Entwicklung zu Erneuerbaren auch eine Entwicklung zur Dezentralität ist«, sagt der Umweltpolitiker. Dadurch entstünden neue Chancen für mittelständische Betriebe, dennoch gebe es auch in Zukunft »Aufgaben, die für die Kleinen zu groß sind« und somit von größeren Unternehmen übernommen werden müssten. Im Vergleich würden aber die »kleinen Player gestärkt«.
Zu diesen »kleinen Playern« gehören die Elektrizitätswerke Schönau, die genossenschaftlich organisiert sind und ausschließlich Ökostrom verkaufen. Geschäftsführer Sebastian Sladek räumt zwar ein, dass auch in Zukunft Großkraftwerke gebraucht würden. »Aber sehr, sehr viel kann auf lokaler Ebene organisiert werden.« So gäbe es beispielsweise viele Flächen auf Privatgrundstücken, die sich für Solarzellen eignen, aber nicht genutzt werden.
Lokale Energieerzeugung würde nach Ansicht Sladeks zwei weitere Probleme entschärfen: Es würden weniger Hochspannungsleitungen gebraucht, weil der Strom nicht erst durch ganz Deutschland transportiert werden müsse, bevor er beim Verbraucher ankommt. Gegen den Neubau solcher »Stromautobahnen« protestieren oftmals Anwohner und Naturschützer.
Desweiteren wäre die Finanzierung dezentraler Anlagen einfacher. »Sie brauchen nicht mal nach Banken zu suchen«, sagt Sladek. Die Bürger hätten genug Geld und warteten nur darauf, es vernünftig anzulegen.
Die Veranstaltung der »Klima-Allianz« hatte bereits im Vorfeld für internen Streit gesorgt: Auf der Alternativ-Konferenz diskutierten vor allem Industrievertreter, kritisierte Michael Müller, Vorsitzender der Naturfreunde, die selbst in der »Klima-Allianz« sind.
Organisatorin Katharina Reuter argumentiert, man wolle »nicht nur mit denjenigen sprechen, die unsere Meinung teilen«. Letztes Jahr habe man hauptsächlich Energiekonzepte der Umweltverbände diskutiert, »dieses Jahr ist es ein bisschen anders«. Müller überzeugt das nicht: Mit dem Titel »alternativer Energiegipfel« werde die falsche Botschaft gesendet.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.