»Paraguays Boden muss wieder den Kleinbauern gehören!«

Die Kleinbäuerin Esther Leiva klärt in Deutschland über das tödliche Sojageschäft auf

  • Steffi Holz
  • Lesedauer: 4 Min.
Für die Kleinbauernorganisation Organización lucha por la tierra (OLT) in Paraguay ist der Name Programm: Kampf um Land. Ihre Vorsitzende, Esther Leiva, klärt derzeit auf einer Deutschlandreise über das tödliche Sojageschäft auf – und darüber, was das mit uns zu tun hat.
Die paraguayische Kleinbäuerin Esther Leiva auf einer Hafenrundfahrt in Hamburg, vor den Silos von ADM, einer der größten Agrarhandelsfirmen weltweit.
Die paraguayische Kleinbäuerin Esther Leiva auf einer Hafenrundfahrt in Hamburg, vor den Silos von ADM, einer der größten Agrarhandelsfirmen weltweit.

»Wir haben keine andere Wahl als zu kämpfen«, sagt Esther Leiva bestimmt, »für unser Recht und ein Leben in Würde, »so die Vorsitzende der Kleinbauernorganisation OLT in Paraguay. Seit 18 Jahren streiten die Kleinbauern und -bäuerinnen für eine Agrarreform, denn der Zugang zu Land ist die Voraussetzung für die Selbstversorgung und damit das Überleben der Kleinbauern, die immerhin die Hälfte der Bevölkerung ausmachen. Paraguay hat eine der ungerechtesten Landverteilungen weltweit. »Rund drei Prozent der Bevölkerung verfügen über 86 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche«, zitiert sie die Statistik.

Seit gut einer Woche ist die 38 Jährige in Deutschland, um auf einer Rundreise über die Folgen der Sojaexpansion in ihrem Land zu sprechen und sich mit Verbrauchern und hiesigen Landwirten auszutauschen. Denn mit dem weltweit steigenden Sojabedarf verschärft sich auch der Landkonflikt.

»In den letzten zehn Jahren hat sich die Sojaanbaufläche verdoppelt«, sagt die energische Mutter von vier Söhnen. Heute wächst auf gut 2,7 Millionen Hektar die begehrte Eiweißpflanze. 2010 wurden rund 7,5 Mio Tonnen der Bohne geerntet. Das kleine Land im Herzen des südamerikanischen Kontinents ist damit der viertgrößte Sojaexporteur der Welt. Bei einem Weltmarktpreis von um die 300 Dollar pro Tonne ein lukratives Geschäft. Doch daran verdienen nur ausländische Investoren, Großgrundbesitzer, darunter Brasilianer und Deutsche, und das Agrarbusiness.

Mittlerweile wird auf 90 Prozent der Fläche gentechnisch verändertes Soja angebaut. Am häufigsten die Sorte Roundup des US-amerikanischen Marktführers Monsanto. Den Sojapflanzen wurde eine Resistenz gegen das firmeneigene Herbizid gleichen Namens eingebaut. Der darin enthaltene Wirkstoff Glyphosat tötet jeglichen Pflanzenwuchs ab, kann aber der Sojapflanze nichts anhaben. Diese Technologie soll die Pflanzen resistenter gegen Krankheiten und Schädlinge machen; bei weniger Pestizideinsatz und satter Ertragssteigerung. Doch Esther Leiva, die erste Frau an der Spitze ihrer landesweiten Organisation, kennt eine andere Realität: »Mit dem Gensoja stieg der Pestizideinsatz extrem an!« Gesetzlich vorgeschriebene schützende Grünstreifen gebe es meist nicht und wenn doch nützten sie nichts, denn der Wind wehe die Abdrift kilometerweit. Häufig wird aus der Luft gesprüht: »Sie behandeln uns als wären wir Ungeziefer«, empört sich Esther Leiva.

Die OLT informiert mit Kampagnen und Protestaktionen über die gesundheitlichen Auswirkungen der Ackergifte. Die Liste der Symptome ist lang: Kopfschmerzen, Übelkeit mit Erbrechen, Magenprobleme, Ausschlag. Besonders gravierend seien die Langzeitfolgen wie zunehmende Allergien, Haut-, Atemwegs- und Krebserkrankungen. Sie zeigt Fotos von Kindern mit Missbildungen und erschauert, weil sie sich nie an diesen Anblick gewöhnen wird und will.

Die Pestizide bedrohen zudem die Ernte der Kleinbauern und vergiften Böden und Gewässer. Viele Familien ertragen die Belastung nicht mehr und geben ihr Land auf, andere erliegen der Verlockung des Geldes und verkaufen ihr Land, so Leiva. Andere verschulden sich weil sie selbst Soja anbauen. Doch das lohne sich nur im großen Stil und so verlieren auch sie ihr Land. Sie alle landen in den Elendsvierteln der Stadt. »Soja bedeutet Hunger und Vertreibung für unser Volk«, betont die überzeugte Aktivistin. Umso wichtiger ist es für sie und die vielen Kleinbauernorganisationen im ganzen Land, Widerstand zu leisten. Mit lebenden Mauern stellen sie sich den Pestizidsprühfahrzeugen in den Weg, mobilisieren zu Demonstrationen oder unterstützen Landbesetzungen der 300 000 landlosen Familien. Das kann lebensgefährlich sein, berichtet sie. Denn der Staat antworte mit Polizei- und Militäreinsätzen und die Sojabarone schickten bewaffnete Schläger. Verschärfte Gesetze bedeuteten außerdem Haftstrafen bis zu fünf Jahren oder Hausarrest wegen Landbesetzungen und Störung der öffentlichen Ruhe. »Über 2000 AktivistInnen sind derzeit angeklagt oder sitzen im Gefängnis«, weiß Leiva. Gegen sie selbst laufen zwei Anklagen. Doch einschüchtern lässt sich die beeindruckende Frau davon nicht.

Auf ihrer bundesweiten Rundreise wirbt sie daher nicht nur für solidarische Unterstützung ihres Kampfes sondern vor allem auch für ein verändertes Konsumverhalten. Sind doch die Futtermittelimporte in die Europäische Union, zur Zeit 35 Millionen Tonnen jährlich, und der übermäßige Fleischkonsum maßgeblich für die Situation in Paraguay und anderen Ländern verantwortlich. Wollte man die rund 8 Millionen Tonnen Soja, die in Deutschland verfüttert werden, aus heimischen Eiweißpflanzen decken, würde das 20 Prozent der deutschen Ackerfläche beanspruchen. Dazu kommt der Boom der Agrarkraftstoffe. Für die Produktion von Nahrungsmitteln, für die Futtertröge und den stark wachsenden Bedarf an Energiepflanzen stehen in der EU nicht genügend Flächen zur Verfügung. Diese woanders zu beanspruchen, um hier weiterhin bedenkenlos zu konsumieren, ist für Esther Leiva kriminell: »Paraguays Boden muss wieder den Kleinbauern gehören!«

Veranstaltungen zum Thema mit Esther Leiva, 24.05. Potsdam, 25.05. Eggersdorf, 26.05. Berlin. Mehr unter: www.fian.de

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