Wutbürgerstreich

Bildungssenator Jürgen Zöllner kündigt Rückzug an

  • Tobias Riegel
  • Lesedauer: 3 Min.

Und täglich grüßt der Berliner Landeselternausschuss. In einer Nadelstichtaktik verschickt jene Lobby seit Monaten drastisch formulierte Anwürfe gegen Schulverwaltung und -reform. Die Brandbriefe mit jeweils einem Einzelschicksal als Gegenstand schließen gerne mit einer dreisten Anweisung an die eindeutig ausgemachten »Schuldigen« an zu weitem Schulweg oder krankem Lehrer: »Rote Karte! Dauerversager runter vom Platz!« Nun scheidet ein Adressat jener Dauerbeschimpfung tatsächlich aus dem Spiel aus, wenn auch nicht als Folge eines Platzverweises: Jürgen Zöllner (SPD), Berlins Senator für Bildung, Forschung und Wissenschaft, hat angekündigt, nach der Wahl im Herbst nicht mehr zur Verfügung zu stehen.

Bestärkt in dieser Entscheidung wurde der einstige Biologieprofessor wohl auch durch die beschriebene (nicht nur seitens des Elternausschusses genutzte) Zermürbungsstrategie. Wurde der 1945 in Tschechien geborene Sohn eines Arztes doch praktisch für jede auf einer Schultoilette fehlende Schraube persönlich verantwortlich gemacht. Hier sollte einer ausbaden, was in Jahrzehnten falscher Bildungspolitik angerichtet wurde.

Dass ausgerechnet die CDU, die durch ideologische Blockaden den deutschen Bildungsschlamassel erst angerichtet hat, sich (von den Medien unbedrängt) plötzlich als Anwalt von Schülern und Eltern aufspielen durfte, schmerzte sicherlich zusätzlich. Ebenso wie das teils heuchlerische Verhalten der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) oder der Grünen – beides doch eigentlich Anhänger von Zöllners überfälligen Schulreformen. Während die »Unterstützung« der GEW für den wichtigen, aber natürlich schwierigen Umbau der Berliner Schullandschaft sich in Klientelpolitik für die Lehrer erschöpft, fordern die Grünen nun gar in bester Boulevardmanier einen »Schulfrieden«.

Der ausgeübte Druck auf Zöllner könnte sich jedoch als Wutbürgerstreich mit Bumerangwirkung erweisen. Denn besser wird's vermutlich nicht. Gemessen an den nun teils hymnischen Würdigungen, scheint es für potenzielle Nachfolger nur schwer möglich, die Fußstapfen des in Hessen aufgewachsenen, mit 20 Jahren ununterbrochener politischer Tätigkeit dienstältesten Ministers Deutschlands zu füllen.

Warum die gleichen Medien, die Zöllner nun über den grünen Klee loben, ihm (und damit der Schulreform) als es Sinn gemacht hätte jede Unterstützung versagten, bleibt das Geheimnis der Bildungsredakteure. Obwohl diese das Thema ohnehin längst einer Gruppe Schüler-Homestorys schreibender Boulevardreporter überlassen haben. Kein Wunder also, dass der 2006 mit vielen Vorschusslorbeeren aus Rheinland-Pfalz nach Berlin Gewechselte sich hier sehr schnell sehr einsam fühlte – wie sein fast bitter klingendes Resümee belegt: »Bildungspolitik produziert keine Helden – in Berlin schon gar nicht.«

Dennoch: Zöllner hat mit SPD und LINKEN eine visionäre Schulreform zumindest auf den Weg gebracht. Sie ist unumkehrbar. Die Hauptschule ist bereits gefallen – das Gymnasium wird folgen. Das kann ihm niemand mehr nehmen.

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