Acht Mal Fragen an die Welt
Das Haus der Berliner Festspiele lädt zum 32. Theatertreffen der Jugend
Liest man die Inhalte der acht eingeladenen Stücke, dann freut einen zweierlei: dass sich Jugendliche so vorbehaltlos mit der Welt auseinandersetzen und dass sie die Chance bekommen, ihre Ergebnisse kollektiven Nachdenkens Zuschauern über den Rahmen der Region hinaus zu präsentieren. Möglich macht dies wiederum das Theatertreffen der Jugend (ttj). Bereits zum 32. Mal seit Begründung 1979 geht es vom 27. Mai bis 4. Juni über die Bühne und ist nachweisbar auch Podium für aufstrebende Talente hin zum Beruf. Thomas Freyer steht dafür als Beispiel. Nahm er als Jugendlicher mit einer Geraer Theatertruppe zwei Mal am ttj teil, so gewann er, nach dem Studium des Szenischen Schreibens, für seine Stücke »Amoklauf mein Kinderspiel« und »Nach Berlin!« Preise, wurde nach Berlin eingeladen.
Wer in diesem Jahr teilnehmen darf, entschieden neun Juroren unter Vorsitz des Basler Theaterpädagogen Martin Frank. Aus insgesamt 116 Bewerbungen kamen 20 in die engere Auswahl. Über den Besuch der Vorstellungen und auswertende Gespräche fielen dann die Würfel. Nicht perfekte Spielleistungen gaben den Ausschlag, sondern die spezifisch jugendliche Perspektive, die adäquate Umsetzung des Themas sowie Persönlichkeit und Haltung der Akteure. Ensembles aus Bayern, Berlin, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen erhielten die begehrte Einladung. An acht Abenden stehen sie nun auf der frisch sanierten Bühne im Haus der Berliner Festspiele, können dort die Tragfähigkeit ihrer Ideen testen und beweisen.
Dass sechs der acht Inszenierungen Ensemble-Eigenproduktionen sind, zeigt den Bedarf an Stücken, die punktgenau das Befinden und Denken Jugendlicher spiegeln. So fragen in Nurkan Erpulats »Clash« für das Junge DT Berlin 17 muslimische, christliche und agnostische Darsteller, wie aktuell universelle Werte in der gegenwärtigen Multi-Gesellschaft noch sind. Thilo Sarrazins berühmt-berüchtigtes Buch diente als Vorlage für ein Spiel um Integration, Religion, Zukunftsvision.
Das ist auch Gegenstand von Lukas Langhoffs »Ferienlager – Die 3. Generation« für die akademie der autodidakten am Ballhaus Naunynstraße. Zehn junge Deutschtürken, in Berlin geboren und aufgewachsen, fügen mutig ihre Wünsche ans Leben zu einem bitterkomischen Puzzle. Ob zwei Engel, der eine mit weißen, der andere mit schwarzen Flügeln, ihnen helfen können, bleibt eher ungewiss.
Konkreter ist die Fragestellung in »Ausarten. Um uns und die Kunst!«. Schüler der Theatergruppe am Schweriner Goethe-Gymnasium sinnieren über ihre Chancen, beruflich in der Kunst Fuß zu fassen. Das Stück sehen sie als Bestandsaufnahme, spielen sie doch an ihrem Gymnasium mit Schwerpunkt Musik seit Jahren Theater, Klavier, singen oder musizieren. Da wird man ja mal nachdenken dürfen. Lehrerin Anne-Kathrin Holz lenkt das in Bahnen.
Als Eigenproduktion firmiert ebenfalls »Mutter Kuhranch oder Wie Aristoteles Brecht post mortem 2:0 besiegte«, in das der ehemalige Grundkurs »Dramatisches Gestalten« am Carl-Orff-Gymnasium Unterschleißheim Texte von Tschechow einsetzt und Brechts Mutter Courage auf die US-TV-Serie Bonanza treffen lässt. 21 Bajuwaren streiten um die Vorzüge von Theater und TV, entdecken Gemeinsames, Trennendes und die Pflicht, selbst tätig zu werden. Ein fröhliches Spektakel unter Cowboyhüten. In Film und Live-Gesang dreht sich »Liberation is a Journey« von Ingo Toben und dem Forum Freies Theater Düsseldorf um Gewalt, wie sie in Globalkrieg und Mikrokosmos zutage tritt. Von den 20 Beteiligten wissen viele mit Zuwanderungshintergrund, wovon sie reden.
In zeitgemäßer Sprache bringt der TheaterJugendClub am Schauspielhaus Chemnitz Shakespeares »Romeo und Julia« auf die Bühne: In »Don’t Cry For Me, Baby!« rivalisieren Straßengangs. Und auch »Beate und die greenhorns« der Freien Waldorfschule Kreuzberg versuchen sich an einem fertigen Stück, Dea Lohers »Blaubart – Hoffnung der Frauen«, nach einem Märchen Perraults. Den Schlusspunkt unter die Theatertage setzen vier junge Männer vom TheaterGrueneSosse, Junges Ensemble, aus Frankfurt am Main: »Testosteron« handelt von Alex und seinen Pubertätsproblemen, und das in Spiel und Tanz. Workshops und Fachforen bieten allen Teilnehmern Fortbildung.
27.5.-4.6., Haus der Berliner Festspiele, Schaperstr. 24, Kartentelefon: (030)-25 48 91 00,
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