LINKE will Mieter besser schützen

Partei vor Wahlkampfauftakt: »Koalitionspartner wird nicht geschont«

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 3 Min.
Im Fanny-Hensel-Kiez in Kreuzberg mussten sich viele Sozialmieter andere Wohnungen suchen. ND-
Im Fanny-Hensel-Kiez in Kreuzberg mussten sich viele Sozialmieter andere Wohnungen suchen. ND-

Aufgeschreckt durch die schlechten Umfragewerte, will die Linkspartei den Start der heißen Wahlkampfphase um etwa zwei Monate vorziehen. Das Wahlkampfquartier soll am 16. Juni im Karl-Liebknecht-Haus eröffnet werden. Dann werde sich der Landesverband massiv in den Wahlkampf stürzen, sagte Landesschef Klaus Lederer.

Die Linkspartei lag in den letzten Umfragen noch unter ihrem mageren Wahlergebnis von 2006 (13,4 Prozent). »Wir wissen, dass wir kämpfen und jede Möglichkeit nutzen müssen, mit eigenen Themen in den Vordergrund zu kommen.« Das sind laut Lederer gute Arbeit, bezahlbare Mieten, Bildungsanspruch für alle und der soziale Zusammenhalt in der Stadt. Und er will auch mit dem Alleinstellungsmerkmal punkten, »dass wir die einzige Partei sind, mit deren Wahl garantiert nicht die CDU an die Landesregierung kommt«. Nur wenn Rot-Rot wieder die Mehrheit erreicht, sei das zu verhindern.

Der alte und erhoffte neue Koalitionspartner soll dennoch nicht geschont werden. Das wird schon beim Thema Mieten deutlich. Da ist ein offener Konflikt beim umstrittenen Wohnraumgesetz ausgebrochen. Die SPD möchte es noch in diesem Monat vom Abgeordnetenhaus beschließen lassen, doch der Gesetzentwurf geht der LINKEN nicht weit genug. »Er bedeutet eher eine Entlastung der Vermieter als der Mieter«, so ihr wohnungspolitischer Sprecher Uwe Doering.

Mit dem von Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) vorgelegten Wohnraumgesetz soll eigentlich die Vertreibung von Sozialmietern verhindert werden. Wenn die Förderung ihrer Wohnungen ausläuft, können die Eigentümer schlagartig die sogenannte Kostenmiete verlangen – bis zu 19 Euro pro Quadratmeter. Etwa 160 000 Wohnungen sind betroffen. Junge-Reyer will die Eigentümer veranlassen, die Landes-Darlehen vorzeitig zurückzuzahlen. Ihnen würde ein Teil der Summe erlassen, dafür sollen sie die Mieten unterhalb des Mietspiegels senken. In welcher Höhe genau, soll offenbar Verhandlungssache sein.

Und die Senatorin will den Vermietern noch weiter entgegenkommen, indem die Hälfte der Wohnungen aus der Belegungsbindung entfallen. Das heißt, sie können auch an finanzkräftige Mieter vermietet werden und stehen Bedürftigen nicht mehr zur Verfügung. »Und das in einer Situation, in der die Zahl der Anspruchsberechtigten auf eine Sozialwohnung eher steigt«, kritisiert Döring. Er moniert, dass selbst nach Einschätzung der Stadtentwicklungssenatorin sich durch das Gesetz nur für einen geringen Teil der Sozialmieter etwas ändern wird. Die meisten müssten weiterhin mit steigenden Mieten von jährlich 13 Cent pro Quadratmeter leben. Schon jetzt liegt aber das Mietniveau in Sozialwohnungen zum großen Teil über dem auf dem freien Wohnungsmarkt.

Weiteres Problem: Werden Sozialwohnungen verkauft oder zwangsversteigert, soll wieder das allgemeine Mietrecht gelten. Pech nur für diese Mieter, wenn der Alteigentümer bereits die Kostenmiete von vielleicht zehn/zwölf Euro verlangt hat. »Diese würde bestehen bleiben und in das Vergleichsmietensystem eingehen, dessen Werte dadurch weiter in die Höhe getrieben würden«, so Doering.

Die Linksfraktion hat deshalb gestern in einem Beschluss gefordert, generell für alle Sozialwohnungen und unabhängig vom Vermieterwillen eine Richtwertmiete einzuführen, die zehn Prozent unter der des Mietspiegels liegt. Ob das rechtlich möglich ist, soll ein Gutachten klären. Aber selbst diese Mieten könnten für manche Bewohner noch unerschwinglich sein. Die Fraktion verlangt deshalb für sie weitere Härtefallregelungen. Zudem müsse die Investitionsbank Berlin (IBB) prüfen, welche Kostenmiete in einem vor 30 Jahren gebauten Wohnhaus tatsächlich noch real ist. »Nachdem Zinsen und Kredite weitgehend abgezahlt sind, wird sie vielfach unter dem Mietspiegel liegen«, ist sich Doering sicher. »Diesen Vorteil sollte man an die Mieter weitergeben.« In der gegenwärtigen Form will die LINKE das Gesetz im Parlament jedenfalls nicht passieren lassen.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.