Thüringer Radsportschule

Deutschlands derzeit beste Profis holten sich alle in Erfurt ihren Schliff

  • Manfred Hönel
  • Lesedauer: 3 Min.

Der deutsche Radsport erlebt ein neues Hoch. Vielleicht nicht, was das Publikums- und das TV-Interesse anbetrifft, aber was die Resultate anbelangt: Tony Martin und John Degenkolb vom Team Highroad und Marcel Kittel von der Mannschaft Skill-Shimano trugen in dieser Saison bereits 15 Siegerkränze nach Hause. Dazu gehörten so spektakuläre Siege wie Martins Triumph bei Paris- Nizza, der gefeierte Sieg von Degenkolb bei »Rund um den Finanzplatz Frankfurt« sowie Platz eins beim neuen »Prorace« vor 250 000 Zuschauern in Berlin durch Kittel.

Die Lebensläufe der drei Männer ähneln sich. Alle drei sind »erblich vorbelastet«. Vater Martin trat einst in Cottbus in die Pedale. Matthias Kittel keuchte einst im Trikot des SC Turbine über die Thüringer Berge und Frank Degenkolb gehörte zu den Rittern der Landstraße in der einstigen Rad-Hochburg Gera.

Nach Thüringen kamen sie auf unterschiedlichen Wegen: Die Eltern Martins setzten sich noch vor dem Mauerfall nach Eschborn in die Bundesrepublik ab – Tony war gerade vier. Die Degenkolbs zogen 1993 mit dem damals vierjährigen John der Arbeit nach und landeten im fränkischen Weißenburg. Nur Marcel Kittel ging den direkten Weg von Ichtershausen zum Sportgymnasium in Erfurt.

Der gebürtige Cottbuser Tony Martin folgte mit 15 Jahren dem Rat seines Vaters. »Wenn du etwas werden willst, dann geh nach Erfurt.« Auch John Degenkolb kam zurück: »Erfurt hatte sich als gute Stube für Nachwuchsrennfahrer herumgesprochen, deshalb ging ich unmittelbar nach der Realschule nach Thüringen. Bei meinen dort wohnenden Opas konnte ich unterkommen.«

Bei der Thüringer Landespolizei erhalten Erfurts Rennfahrer, wenn sie es wünschen, eine solide Ausbildung, ehe sie in die Profiszene wechseln. Degenkolb schaffte sogar die Verbeamtung. Er wird bis heute von Jens Lang betreut. Martin lernte acht Jahre bei Lang und sucht immer noch bei ihm Rat. Das Gleiche trifft auf Marcel Kittel zu. Der Sprinter ging allerdings nicht den Weg zur Polizei. Er studiert in Ilmenau Informatik. Kein einfacher Weg. Ein Rat und Hinweis seines langjährigen Trainers ist da immer willkommen. Kittel, Degenkolb und die beiden anderen Erfurter Lang-Schüler Patrick Gretsch (Highroad) sowie Sebastian Lang (Omega-Pharma-Lotto) sind oft bei gemeinsamen Trainingsfahrten um Erfurt zu beobachten.

»In Erfurt gibt man sich richtig Mühe mit dem Nachwuchs«, sagt Radsportlegende Erik Zabel. Aus diesem Grund schickte er nach der siebenten Klasse auch seinen Sohn Rick in die Thüringer Landeshauptstadt. »Die Lehrer und Trainer machen dort etwas aus den jungen Sportlern«, lobt Zabel, schränkt dann aber ein: »Leider hat sich der Landesverband jetzt mit den Trainern in den Haaren. Jens Lang ist bereits zum Oktober gekündigt. Sogar das U23-Team könnte platzen. Es wäre schade. Wo sollen die jungen Sportler hin. Bei uns in Nordrhein-Westfalen ist im Radsport gar nichts los. Erfurt hat in den vergangenen 20 Jahren viel aufgebaut.« Es lohne sich, für den Erhalt der Nachwuchsschmiede zu kämpfen.

Dass der Radsport nicht aus dem Dopingsumpf kommt, ärgert die jungen Rennfahrer. John Degenkolb verspricht: »Wir sind die neue Radsportgeneration. Wir holen den deutschen Radsport wieder sauber ans Licht.« Marcel Kittel wird in der »Thüringer Allgemeinen« noch deutlicher: »Ich hänge den Fairplay-Idealen an. Es soll nie heißen, der Kittel ist ein Hinterradlutscher, ein Anscheißer oder schlucke irgendwelchen Mist.«

Auch Tony Martin, der Meister im Zeitfahren, betont immer wieder: »Doping ist für mich kein Thema. Ich bin für eine konsequente Dopingkontrolle.«

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