Sozialmieten werden abgefedert
Der Bauausschuss hat das umstrittene Wohnraumgesetz beschlossen / LINKE setzte Änderungen durch
Das Gesetz sei »mit heißer Nadel gestrickt«, hieß es vom Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen. Es »würde einseitig die Probleme der Investoren lösen«, kritisierte das Bündnis Sozialmieter. Berlin verliere mit der Aufgabe der Belegungsrechte die einzige Möglichkeit, auf den Wohnungsmarkt einzuwirken. Gestern appellierte der Berliner Wissenschaftsbund an die Fraktionen, die Entscheidung über den Entwurf »erst nach gründlicher Diskussion noch offener Fragen zu treffen«.
Zuletzt kriselte es zwischen den Koalitionspartnern: Den LINKEN ging der Entwurf von Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) nicht weit genug. Der wohnungspolitische Sprecher Uwe Doering bezeichnete die auf Druck der LINKEN überarbeitete Fassung als »sehr, sehr kleinen Einstieg in den Ausstieg« aus dem bisherigen Subventionssystem. »In den wenigen Wochen war es unmöglich, zu vernünftigen Regelungen zu kommen«, sagte er.
2009 hatte das Abgeordnetenhaus beschlossen, aus dem Subventionssystem für 160 000 Sozialwohnungen auszusteigen, weil es nicht mehr finanzierbar war. Ohnehin überstiegen die Sozialmieten die Mieten des freien Marktes teilweise deutlich. Dramatisch ist die Situation für die Mieter der 28 000 Sozialwohnungen, denen seit 2003 die Anschlussförderung verweigert wurde. Vermieter können dadurch die sogenannte Kostenmiete verlangen – bis zu 19 Euro nettokalt pro Quadratmeter.
In Verhandlungen mit der SPD konnten die LINKEN immerhin eine Härtefallregelung durchsetzen. Für mindestens drei Jahre soll bedürftigen Mietern in diesen Wohnungen ein Mietausgleich gezahlt werden. Die Kündigungsfrist wird von drei auf sechs Monate angehoben. Im Paragraf vier war ursprünglich geregelt worden, dass bei einem Eigentümerwechsel und dem Ausstieg aus der öffentlichen Förderung die Wohnung in das Vergleichsmietensystem überführt wird. Die unter Umständen hohe Bestandsmiete hätte dann übernommen werden müssen – fatal für die Mieter, da der Preis im Mietspiegel mieterhöhend wirken würde. Hier wurden Änderungen durchgesetzt: »Liegt die Miete zum Zeitpunkt des Eigentümerwechsels über der ortsüblichen Vergleichsmiete, wird sie auf Mietspiegelniveau gekappt«, erklärte Doering. Allerdings betrifft dies lediglich einen Bruchteil der 135 000 Wohnungen mit Anschlussförderung – nämlich jene geschätzten 15 Prozent, deren Eigentümer das Förderdarlehen früher und damit verbilligt zurückzahlen werden. Der Rest wird die fehlenden Fördermittel weiterhin durch Mieterhöhungen ausgleichen. »Das Problem wird nicht grundsätzlich gelöst«, räumt die Pressesprecherin der Linksfraktion, Kathi Seelfeld, ein. »Aber die Auswirkungen werden abgefedert.«
Die im ersten Entwurf des Wohnraumgesetzes vorgesehene soziale Richtsatzmiete, die zehn Prozent unter der des Mietspiegels ansetzt, war wegen verfassungsrechtlicher Bedenken zurückgenommen worden. Auf die Mietpreise wird der Senat also auch künftig nicht einwirken. Auch die Linksfraktion ruderte zurück. Nachdem sie sich von einem Anwalt beraten ließ, rückt sie von ihrer Forderung nach der Richtwertmiete ab. Auch von der Neuberechnung der an den ursprünglichen Investitionskosten orientierten Kostenmiete – nun eine Forderung der CDU – verspricht man sich nicht mehr viel. Nach Erkenntnissen des wohnungspolitischen Sprechers wurde die Annahme, dass die reale Kostenmiete – orientiert an den dem aktuellen Eigentümer entstehenden Kosten – unter dem Mietspiegel liegt, nicht bestätigt. »Der Weg, beim Eigentümerwechsel die Vergleichsmiete zu verlangen, ist der sichere«, sagt Uwe Doering.
Rund die Hälfte der Sozialwohnungen wird künftig aus der Belegungsbindung befreit – Vermieter könnten dann den Austausch von bedürftigen durch finanzstarke Mieter forcieren, obwohl die Zahl einkommensschwacher Mieter steigt. Die Mieter der 135 000 Sozialwohnungen müssen auch weiterhin mit Mietsteigerungen von jährlich 13 Cent pro Quadratmeter rechnen – so werden die Kürzungen der Fördermittel kompensiert.
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