Wozu Bio-Obst aus Brandenburg?

Michael Wimmer rügt Förderstopp für die Umstellung auf Ökolandbau / Wimmer ist Geschäftsführer der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg (FÖL)

  • Lesedauer: 3 Min.
Fragwürdig – Wozu Bio-Obst aus Brandenburg?

ND: Das brandenburgische Agrarministerium stoppte die Förderung für Landwirte, die auf ökologische Erzeugung umstellen wollen. Welche Auswirkungen hat das?
Wimmer: Ich weiß von einem etwas größeren Betrieb, der sich den Wechsel zum Ökolandbau einfach nicht zutraut, wenn er das Fördergeld nicht bekommt. In der Mehrzahl trifft es aktuell aber kleine Betriebe beziehungsweise Existenzgründer, die wohl trotzdem starten werden. Wenn man sich auf diesen Schritt zwei oder drei Jahre vorbereitet, will und muss man dann einfach durchstarten. Ohne die Umstellungsförderung darf bei diesen Betrieben nichts Größeres schief gehen. Unabhängig davon aber ist es ein fatales Signal für alle Betriebe, die sich auch mit dem Gedanken tragen, ökologisch zu wirtschaften.

Um wie viele Betriebe geht es?
15 vielleicht, mehr nicht. Derzeit wollen sehr wenige Betriebe umstellen. Dazu muss man wissen, dass die Getreidepreise jahrelang gesunken sind. Jetzt steigen sie wieder. Konventionelle Landwirte verdienen deshalb gerade sehr gut. Deswegen besteht für sie kein besonderer Druck, ein Abenteuer zu wagen. Zudem bemühen sich Biogaserzeuger um Flächen. Sie zahlen viel mehr Pacht. Gegen eine solche Konkurrenz kann ein Ökohof schwer bestehen.

Wozu benötigen Agrarunternehmen die Anschubfinanzierung?
Wer auf Ökolandbau umstellt, muss zwei Jahre lang nach den Spielregeln des ökologischen Anbaus wirtschaften, darf seine Erzeugnisse aber erst im dritten Jahr als Bioprodukte verkaufen. Ohne das Biosiegel sind jedoch nur geringere Preise zu erzielen. Die Förderung soll helfen, die ersten beiden Jahre zu überstehen.

Warum stoppte Agrarminister Jörg Vogelsänger (SPD) das Geld?
Begründet wird das mit der Unsicherheit, ob die EU in der nächsten Förderperiode wieder Mittel für die Umstellung auf den Ökolandbau zur Verfügung stellt. Bislang zahlt Brandenburg nur zehn Prozent der Fördersumme. Das meiste Geld kommt aus Brüssel. Dieses Restrisiko ist aber äußerst gering. Auf einer Fläche von insgesamt 500 Hektar wollen Bauern jetzt auf Ökolandbau umstellen und dafür fünf Jahre lang Förderung. Rechnen wir mal optimistisch mit 1000 Hektar. Dann würde die Fördersumme 150 000 Euro pro Jahr betragen, Brandenburg müsste 15 000 Euro zahlen. Gesetzt den Fall, die EU gibt im Jahr 2016 tatsächlich nichts, dann müsste das Land zusätzliche 135 000 Euro aus eigener Tasche nehmen. Es wäre bedauerlich, wenn Brandenburg wegen solcher Summen die Bio-Ampel auf rot schaltet. Schließlich schaffen Ökohöfe Arbeitsplätze auf dem Lande.

Andere Bundesländer müssten ähnliche Sorgen haben.
Kommen aber zu anderen Schlüssen. Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg hoben ihre Förderstopps kürzlich auf. Nur Thüringen und Brandenburg reagieren hier so. Dabei plädiert die LINKE für die Förderung. Aber der Koalitionspartner SPD lehnt das kategorisch ab.

Wie groß ist die Nachfrage nach Bioprodukten?
Es gibt in Brandenburg 975 Ökobetriebe, die 10,5 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche beackern. Damit ist das Bundesland Spitze. Aber die Nachfrage in Berlin wächst schneller als das Angebot aus Brandenburg. Was schon ausreichend vorhanden ist, sind Bio-Getreide und Bio-Rindfleisch. Dringend gebraucht werden noch Obst und Gemüse. Davon könnte in der Hauptstadt viel mehr verkauft werden. Wir benötigen außerdem noch kleine Höfe mit Spezialsortimenten, etwa Ziegenhöfe.

Interview: Andreas Fritsche

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.