Modernisierte Vorsorge

Kinderärzte wollen Früherkennung ausweiten

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 2 Min.
Die Früherkennungsuntersuchungen für Kinder gibt es seit 40 Jahren in Deutschland. Was daran verbessert werden sollte, erklärten Fachmediziner anlässlich des Kinder- und Jugendärztetages an diesem Wochenende in Berlin.
Modernisierte Vorsorge

Vorsorgeuntersuchungen sind eine Erfolgsgeschichte – kaum ein anderes Land hat eine derart dichte Abfolge von regulären ärztlichen Visiten über so viele Altersstufen hinweg. Vor genau 40 Jahren in der Bundesrepublik eingeführt, ist heute bis zur U9, die vor Schuleintritt erfolgt, eine Beteiligung von über 90 Prozent erreicht. Danach sind die Untersuchungen U10 und U11 nur regional begrenzt in Selektivverträgen mit bestimmten Krankenkassen gesichert. Einen Anspruch für gesetzlich versicherte Kinder gibt es nicht. Das wollen die Kinder- und Jugendärzte so schnell wie möglich geändert haben, aber es scheint, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hier nicht handlungsbereit ist.

Weniger gut sieht es auch mit den beiden Untersuchungen für die 12- bis 17-Jährigen aus: Hier werden nur 40 Prozent der Altersgruppe erreicht – genauso viele wie bei Vorsorgeuntersuchungen von Erwachsenen.

Auch modernisiert werden müssten die Gesundheitskontrollen für alle Altersgruppen, so Wolfram Hartmann, Präsident des Berufsverbandes. Sie sollten eine halbe Stunde dauern statt bisher 20 Minuten, abgerechnet würden dann 50 statt 33 Euro. Inhaltlich ginge die Anpassung vor allem in Richtung der primären Prävention. Das bedeutet eine Hinwendung zur Verhinderung von Krankheiten. Bisher liegt der Schwerpunkt bei deren Früherkennung. Zu den »neuen Morbiditäten« zählen Kinderärzte Entwicklungsdefizite der Sprache, der Kognition, des Sozialverhaltens und der Motorik. Hinzu kommen viele übergewichtige Kinder, die früh an Herz- und Gefäßerkrankungen oder Diabetes mellitus leiden. Schon seit Jahren sehen sich die Kinderärzte zudem in der Pflicht, ihre Aufmerksamkeit auf die sozialen Lebensumstände der Heranwachsenden auszudehnen.

Gerade die aktuelle Gesundheitspolitik enttäuscht sie in vielen Punkten. So fühlen sie sich eher vom Verbraucher- und vom Familienministerium wahrgenommen als vom Gesundheitsministerium. Eine aktuelle Stellungnahme des neuen Ministers Daniel Bahr (FDP) zur Prävention im Kinder- und Jugendalter nannte Hartmann enttäuschend. Die FDP setze auf die Eigenverantwortung der Eltern, ignoriere aber, dass in der Bundesrepublik viele Familien Unterstützung bräuchten. Um deren Kindern die nötige Förderung zu geben, müssten nach Uli Fegeler, der als niedergelassener Kinder- und Jugendarzt in Berlin-Spandau arbeitet, Einrichtungen wie Kitas »sozialkompensatorisch besser« werden. Er bedauerte, dass unter anderem die Kitas noch nicht ausreichend auf Kinder mit sozialen und Sprachproblemen vorbereitet seien. Fachkompetente Pädagogik könne dort vermutlich umfassender wirken als der vielleicht übereilte Gang zur Logopädin. Für Kinder zwischen 8 und 14 Jahren fehlten eher gut funktionierende Jugendclubs als Therapeuten.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.