Gemeinsam gegen EU-Sparpolitik
Internationaler Gewerkschaftsprotest in Luxemburg
Gut die Hälfte der Protestler, die am Nachmittag durch die Innenstadt ziehen, ist aus dem Nachbarstaat Belgien angereist. Unübersehbar liegt ihnen die Verteidigung des Index am Herzen, also der in Belgien und Luxemburg noch halbwegs bestehenden automatischen Lohnanpassung an die Lebenshaltungskosten – einer Errungenschaft aus früheren Jahrzehnten der Vollbeschäftigung. »Die EU und die Regierungen in Deutschland und Frankreich wollen den Index zerstören und die Anhebung des Rentenalters erzwingen«, schimpft der Flame Raoul Flies von der Angestelltengewerkschaft bbtk und warnt vor einem mit Reallohnsenkungen einhergehenden Kollaps der belgischen Wirtschaft, sollte der Index tatsächlich fallen.
Mit höchstens 200 Teilnehmern vergleichsweise gering erscheint hingegen die Teilnahme aus Deutschland. Dabei ist neben Saarländern eine Delegation von Beschäftigten der Bodenverkehrsdienste an den Flughäfen Frankfurt-Rhein-Main und Hamburg unübersehbar. Sie sind in der ver.di-Fachgruppe Luftverkehr organisiert und protestieren gegen eine von der EU vorgesehene weitere Marktöffnung ihrer Branche. Damit würden noch mehr Billiglohnunternehmen wie Pilze aus dem Boden schießen, befürchten die Gewerkschafter. Sie stehen mit Kollegen aus Nachbarländern in Kontakt und planen weitere koordinierte Widerstandsaktionen.
Im Block der französischen Gewerkschaft CGT, die vor allem im Nordosten des Landes mobilisiert hat, demonstrieren auch vier Vertreter der tunesischen Gewerkschaften mit. »Wir drücken der Revolution in unserem Land unseren Stempel auf«, sagt Elissa Bechir, einer von ihnen.
Neben den Belgiern sind es vor allem die Gewerkschaften aus Luxemburg, die an diesem Werktag viele tausend auf die Beine gebracht haben. Kämpferisch gibt sich dabei vor allem ihr Jugendblock. »Die neoliberale Party ist vorüber« und »Tous ensemble - grève générale« (Alle zusammen zum Generalstreik) dröhnt es aus dem Lautsprecherwagen.
Diplomatischer äußert sich dagegen die EGB-Spitze. »Die Programme der EU und der nationalen Regierungen bringen soziale Verschlechterungen und Angriffe auf Arbeitnehmer und Rentner, steigern die Arbeitslosigkeit und bremsen den Ausweg aus der Krise«, kritisiert EGB-Präsident Ignacio Fernandez Toxo. So habe etwa der unter dem Druck der EU erfolgte Kurswechsel der Madrider Regierung die Arbeitslosigkeit auf fünf Millionen anschwellen lassen, sagt der Spanier.
»Wir sind keine Sklaven der Finanzmärkte«, erklärt EGB-Generalsekretärin Bernadette Ségol und unterstreicht ihre Solidarität mit dem Widerstand der griechischen Gewerkschaften gegen das massive Privatisierungsprogramm, das ohne demokratische Kontrolle dem Land von Außen aufgezwungen werden solle. Sie freut sich darüber, dass Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker am Vormittag Sympathie für die EGB-Forderung nach einer Börsenumsatzsteuer und einheitlichen Finanzierungsbedingungen für alle Mitgliedstaaten durch Einführung von Eurobonds gezeigt habe.
Im Aufruf zur Demonstration fordern die Gewerkschaften eine Verlängerung der Kreditlaufzeiten, Stundung der Zinslast für die Krisenländer und die Gründung einer »Europäischen Bank für öffentliche Anleihen«. Darüber hinaus lehnt der Dachverband Eingriffe in Gewerkschaftsrechte und Tarifautonomie sowie die von der EU vorangetriebene Liberalisierung und Deregulierung ab. Da EU und Regierungen bislang auf diese Forderungen nicht eingegangen sind, dürften die Gewerkschaften gezwungen sein, den Druck zu erhöhen. »Das war nicht die letzte Euro-Demo in diesem Jahr«, prophezeit der NGG-Bundesstreikbeauftragte Jürgen Hinzer.L
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