Wenn Verlierer vom Finale träumen
Die Schwedinnen melden sich nach 2:1-Sieg gegen die USA plötzlich im Kreis der Favoriten zurück
US-Amerikaner sind Meister der Sportpsychologie. Das gilt auch für die Abteilung der Fußballerinnen. Keine fünf Minuten war das letzte Vorrundenspiel dieser WM gegen Schweden mit 1:2 verloren, da zog Stürmerin Abby Wambach schon Positives aus der Niederlage, die den Gruppensieg gekostet hatte. »Ist doch gut, jetzt können wir erst im Finale auf die Deutschen treffen.« Nach so einer Niederlage schon ans Finale denken – das können nur die Amerikaner.
Dabei hatten die Schwedinnen ihnen vor allem in der ersten Halbzeit gezeigt, wo die Schwächen des Olympiasiegers liegen. Die Abwehr ist unter Druck sehr anfällig, Ballverluste zu produzieren, und vor allem zu langsam für schnelle Stürmerinnen vom Kaliber einer Lotta Schelin oder einer Lisa Dahlkvist. Die beiden rannten ihren Gegnerinnen ein ums andere Mal davon, was in der 16. Minute zum Elfmeter führte. Foul an Schelin, Tor durch Dahlkvist.
Plötzlich tauchen die Schwedinnen wieder auf den Favoritenlisten auf. Bislang flogen sie unter dem Radar, vor allem weil sie in ihrer Auftaktpartie nur eine von gefühlten 20 Großchancen gegen Kolumbien nutzten. Nun ist das Selbstbewusstsein merklich gestiegen. »Wir können hier alles schaffen«, sagte Sara Thunebro, die in der Bundesliga beim 1. FFC Frankfurt spielt. »Es muss nur alles klappen, und wir müssen wie heute ein bisschen Glück haben.« Das kam in der 35 Minute hinzu, als Unglücksrabe Amy LePeilbet, die bereits Schelin beim Elfmeter gefoult hatte, auch noch Nilla Fischers Freistoß unhaltbar abfälschte. Abby Wambach konnte in der zweiten Hälfte nur noch den Anschlusstreffer erzielen.
Was folgte war der mittlerweile obligatorische Siegestanz Schwedens, den Schelin vom Champions-League-Sieger Olympique Lyon mitgebracht hat. Anfangs sah man ihn nur nach siegreichen Spielen. »Jetzt tanzen wir nach jedem Tor. Wir haben schon in der Umkleide vor dem Spiel getanzt. Das macht eine Menge Spaß«, so Schelin.
Den hatten die Amerikanerinnen weniger, denn bei aller »Freude«, dass man zunächst der deutschen Mannschaft aus dem Weg geht, bleibt doch schon im Viertelfinale am Sonntag beim Spitzenspiel in Dresden der zweite große Turnierfavoriten als Gegner: Brasilien. Anders ausgedrückt: Weltranglistenerster gegen Weltranglistendritter, Olympiasieger gegen Vizeweltmeister.
Auch die gebürtige Schwedin auf der Trainerbank hat jedoch mittlerweile die schnellen psychologischen Wendungen drauf. »Meine Spielerinnen müssen diese Chance, gegen Brasilien spielen zu dürfen, begeistert umarmen. Ich werde mit ihnen schon über das Finale reden. So motiviere ich sie«, sagte Pia Sundhage, auch wenn sie zugeben musste, dass dies nicht der geplante Weg zum Titel war. »Sonst sage ich so etwas nicht, aber wenn man einen anderen Pfad einschlägt, braucht man andere Mittel. Schon in der WM-Qualifikation war unsere Straße etwas holprig. Jetzt ist sie wieder holprig, aber wir kommen schon ans Ziel.«
Schweden: Lindahl - Svensson, Larsson, Rohlin, Thunebro - Forsberg, Fischer (88. Sembrant), Dahlkvist (77. Kristin Hammarström), Sjögran (65. Göransson) - Schelin, Öqvist.
USA: Solo - Krieger, Buehler, Rampone, LePeilbet (59. Cox) - Rapinoe (73. O'Hara), Lloyd, Boxx, Cheney - Wambach, Rodriguez (46. Morgan).
Tore: 1:0 Dahlkvist (16./Foulelfmeter), 2:0 Fischer (35.), 2:1 Wambach (67.).
Schiedsrichterin: Fukano (Japan).
Zuschauer: 23 468.
Nordkorea: Hong - Paek, Ri Un-Hyang, Yu, Ho - Kim Su-Gyong (48. Kim Chung-Sim), Jo, Jon Myong-Hwa, Ri Ye-Gyong - Ra (56. Yun - 76. Choe), Kim Un-Ju.
Kolumbien: Sepúlveda - Arias, Gaitan, Peduzine, Montaño - Ospina, Montoya (89. Salazar), Domínguez, Rodallega - Castro (88. Vidal), Velasquez.
Schiedsrichterin: Pedersen (Norwegen). Zuschauer: 7 805.
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