Berlusconi will zum »Übervater« werden
Italiens Premier kündigt abermals Rückzug an
Zumindest innerhalb der Regierung scheint das Wort von Ministerpräsident Berlusconi derzeit nicht viel zu zählen. Innerhalb weniger Stunden hatte er verschiedene Erklärungen abgegeben, die dann von seinen Ministern sofort dementiert wurden. Und vor allem zwischen ihm und seinem Finanzminister Giulio Tremonti scheint gar nichts zu funktionieren: »Tremonti denkt, dass er alles weiß und alle anderen Vollidioten sind, mit denen er nichts zu tun haben will«, sagte Berlusconi in dem gleichen Interview vom Freitag, in dem er ankündigte, dass er 2013 weder für das Amt des Ministerpräsidenten noch für das des Staatspräsidenten zur Verfügung stehen wird. »Meine Rolle wird die eines Übervaters sein«, erklärt er vollmundig. Und da Berlusconi ja für seine eher »individuelle« Auffassung von Demokratie bekannt ist, gibt er auch gleich bekannt, wer diese beiden Ämter bekleiden wird: Der Noch-Justizminister und seit einigen Tagen Vorsitzende der Partei »Volk der Freiheit«, Angiolino Alfano, soll Regierungschef werden und Gianni Letta, heute so etwas wie Kanzleramtsminister und engster Vertrauter von Berlusconi, als Staatschef in den Quirinalspalast einziehen …
Im Augenblick erscheint jedoch mehr als fraglich, ob die Regierung überhaupt bis 2013 im Amt bleiben kann. Es vergeht kein Tag ohne handfeste Polemik zwischen den Koalitionspartnern und auch innerhalb der Parteien selbst. Das führt unter anderem dazu, dass auch heute noch nicht klar ist, wie hoch das Sparpaket ist, das Ende Juli vom Parlament verabschiedet werden soll. Den Ministern liegen unterschiedliche Zahlen vor. Dazu kommt, dass allein in den letzten Tagen gegen drei wichtige und mächtige Abgeordnete der Berlusconi-Partei Haftbefehle erlassen wurden. Diesen Parlamentariern wird unter anderem Amtsmissbrauch, Korruption und Zugehörigkeit zur Mafia vorgeworfen. Die meisten politischen Beobachter sind der Überzeugung, dass die Regierung Berlusconi in den kommenden Monaten implodieren wird und es zu Neuwahlen kommt.
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