Keiner weiß, was er nun schon zuhause soll
Nach dem Viertelfinalaus suchen Deutschlands Fußballerinnen nach Gründen für das 0:1 gegen Japan
Die kurze schlaflose Nacht im Wolfsburger Teamhotel half nicht viel. Auch gestern Vormittag konnten die deutschen Fußballerinnen noch nicht begreifen, was am Abend zuvor im ein Kilometer entfernten Stadion im Allerpark passiert war. »Es ist surreal. Alle fühlen sich leer und verstehen es nicht«, beschrieb Torhüterin Nadine Angerer die Gefühlslage nach dem WM-Aus im Viertelfinale, das für die Gastgeberinnen mit dem 0:1 nach Verlängerung gegen Japan überraschend früh kam.
Fassungslos waren die Spielerinnen von Bundestrainerin Silvia Neid nach zwei kämpferischen aber fruchtlosen Stunden auf dem Rasen zusammengesackt, nachdem Karina Maruyama in der 108. Minute nach einem schnellen Konter und einem Schuss aus spitzem Winkel den Traum von der Titelverteidigung hatte platzen lassen. »Wir sind total enttäuscht. Wir hatten alle geplant, dass wir noch eine Woche im Turnier dabei sind«, sagte Lena Goeßling, die wie ihre Mitspielerinnen einige Tränen vergoss. Auch der lang anhaltende Beifall der Zuschauer in der ausverkauften Wolfsburger Arena konnte nicht trösten, die Verabschiedung mit einem Dankeschön-Banner an die Fans wurde mehr zu einer Strafrunde.
»Es war ein rabenschwarzer Abend«, meinte Inka Grings, die wie beim 4:2 gegen Frankreich für die langjährige Spielführerin Birgit Prinz in der Spitze stürmte, diesmal aber kaum für Gefahr sorgte. »Wir hätten noch fünf Stunden spielen können und trotzdem kein Tor geschossen.« Gegen die defensiv gut sortierten und unermüdlich laufenden Japanerinnen fanden die DFB-Frauen kein Mittel. Die vermeintliche Überlegenheit durch die Körpergröße konnten nicht ausgespielt werden. »Wir hatten bestimmt 15 Standardsituationen, bei denen wir aber zu ungefährlich waren«, meinte Trainerin Neid.
Während die Gastgeberinnen oft, aber einfallslos anrannten, beschränkten sich die Japanerinnen darauf, die Partie mit ihrem Kurzpassspiel zu kontrollieren und auf Konter zu lauern. »Die Mannschaft hat auf hohem Niveau durchgehalten«, freute sich Japans Trainer Norio Sasaki. »Wir hatten uns vorgenommen, sauber zu verteidigen und auf eine Chance zu warten. Und so ist es auch gekommen.« Den dritten Torschuss der Japanerinnen in der gesamten Partie konnte Nadine Angerer nicht abwehren. »Ich habe die kurze Ecke zugemacht und sie hat genau in die Schnittstelle getroffen«, sagte die Torhüterin und auch Angreiferin Celia Okoyino da Mbabi meinte: »Gegen solch starke Japanerinnen entscheiden eben nur Nuancen.«
Bei der Suche nach den Ursachen wollte keiner im Team die große Erwartungshaltung vorschieben. »Dass wir es können, haben wir gegen Frankreich gezeigt. Diesmal haben wir mit zunehmender Spieldauer einfach den Glauben verloren, noch ein Tor machen zu können«, sagte Silvia Neid. Auch die frühe Verletzung von Mittelfeldlenkerin Kim Kulig, die schon nach fünf Minuten mit Verdacht auf Kreuzbandriss vom Platz musste, wollte man nicht als Grund vorschieben. »Unser Kader ist gut genug, um das zu komensieren«, sagte Abwehrspielerin Linda Bresonik, die wie die meisten noch nicht wusste, was sie mit dem verfrühten Urlaub anstellen soll. »Für diesen Fall haben wir nicht geplant.«
»Ich kann gar nicht fassen, dass die anderen jetzt unser Turnier weiterspielen«, meinte Fatmire Bajramaj. »Wir hängen jetzt alle in der Luft und keiner weiß, was er nun schon zuhause soll«, beschrieb Neid den Schockzustand, den gestern auch noch die Schwedinnen verlängerten. Nach dem Halbfinaleinzug der Skandinavierinnen steht fest, dass die deutschen Fußballerinnen sich nicht als eines der besten europäischen Teams für Olympia 2012 qualifiziert haben und auch beim Turnier in London nur zuschauen dürfen.
Deutschland: Angerer - Bresonik (65. Goeßling), Krahn, Bartusiak, Peter - Laudehr, Kulig (8. Schmidt - Garefrekes, Okoyino da Mbabi, Behringer - Grings (102. Popp).
Japan: Kaihori - Kinga, Iwashimizu, Kumagai, Sameshima - Ohno (66. Iwabuchi, 116. Utsugi), Sawa, Sakaguchi, Miyama - Ando, Nagasato (46. Maruyama).
Tor: 0:1 Maruyama (108.). Schiedsrichterin: Alvarado (Mexiko). Zuschauer: 26 067 (ausverkauft).
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