Was macht der Verfassungsschutz an Schulen?
Frank Metzger vom Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum (apabiz) über Schlapphüte im Klassenzimmer
ND: Derzeit sorgt ein offener Brief für Aufsehen, zu dessen Verfassern auch das Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum (apabiz) gehört. Darin wenden sich die Unterzeichner gegen die Präsenz des Verfassungsschutzes an Schulen. Was hat der Geheimdienst an Bildungseinrichtungen zu suchen?
Metzger: Das ist eine Frage, die wir uns auch stellen. Fakt ist, dass im Rahmen von Schulaktionstagen, aber auch in der außerschulischen Bildungsarbeit Mitarbeitern des Verfassungsschutzes als externe Referenten aufgetreten sind. Soweit wir wissen, haben sie unter anderem Workshops mit den Jugendlichen durchgeführt.
Und was können die Kinder von den Schlapphüten lernen? Wie man seine Mitschüler aushorcht?
Das sind keine Workshops zur Arbeit des Verfassungsschutzes, sondern zu den Themenbereichen Rechtsextremismus, Neonazis – und Extremismus.
Also auch Linksextremismus?
Ja. Auch mit der Gleichsetzung, die der Verfassungsschutz ohnehin vertritt. Also der unserer Meinung nach fatalen Gleichsetzung von links und rechts, oder dem Konstrukt eines vermeintlichen Links- und Rechtsextremismus.
Macht es die Arbeit für Vereine wie apabiz schwerer, wenn der Verfassungsschutz explizit vor Linksextremisten warnt und den Widerstand gegen Nazis kriminalisiert?
Durchaus. Ich glaube, das ist ein Problem, das viele unabhängige Projekte betrifft. Es ist ja nach Definition des Verfassungsschutzes schon problematisch, wenn man sich explizit antifaschistisch positioniert. Es gibt zum einen also das Problem der Stigmatisierung. Hinzukommt, dass das Angebot des Verfassungsschutzes kostenlos ist, unsere Kollegen und wir aber auf Honorargelder angewiesen sind.
Gibt es konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Schulen im Umgang mit antifaschistischen Referenten vorsichtiger geworden sind?
Ja, wir merken durchaus, dass weniger Anfragen für Bildungsarbeit kommen. Auch wenn wir nicht in ganzer Schärfe betroffen sind, aber viele Vereine oder Personen, mit denen wir kooperieren und die eben auch Bildungsarbeit in dem Bereich machen, sagen, dass sie mittlerweile kaum oder gar keine Aufträge mehr bekommen.
Weil Lehrer Angst haben, vermeintliche Linksextremisten an die Schulen zu holen?
Es genügt ja wie gesagt, dass man sich antifaschistisch positioniert oder offen mit antifaschistischen Jugendgruppen zusammenarbeitet. Schon heißt es, die sind genauso schlimm wie die anderen, mit denen wollen wir nichts zu tun haben. Und außerdem kommt der Verfassungsschutz umsonst.
Ist die Tätigkeit des Verfassungsschutzes als politischer Aufklärer an Schulen überhaupt vom Gesetz gedeckt? Politische Erziehung gehört ja eigentlich nicht zu den Aufgaben der Schlapphüte.
Das Bundesverfassungsschutzgesetz beinhaltet keinen Bildungsauftrag. Der Geheimdienst bewegt sich in einer juristischen Grauzone. Für die Landesämter gelten natürlich die jeweiligen Landesgesetze. Dort ist zumindest von einem Informationsauftrag die Rede. Nun stellt sich die Frage, ob das, was der Verfassungsschutz macht, nur Informationsweitergabe oder doch schon Bildungsarbeit ist. Wir bezweifeln, dass das nur Informationsarbeit ist. Wenn der Verfassungsschutz an Schulen kommt, wird dort Bildungsarbeit gemacht bzw. der Versuch unternommen, diese Kinder und Jugendlichen dementsprechend zu prägen.
In Niedersachsen ist der Geheimdienst besonders häufig an den Schulen aktiv. Warum?
Dort wurde die Landeszentrale für politische Bildung mehr oder weniger aufgelöst. Deren Arbeit wurde teilweise dem Verfassungsschutz übergeholfen.
Das heißt, der Verfassungsschutz übernimmt die Aufgaben der Landeszentrale für politische Bildung? Also hat er doch einen Bildungsauftrag?
Genau, denn da treten Leute des Verfassungsschutzes als sogenannte Demokratielotsen auf.
So ein Demokratielotse müsste in Niedersachsen, wo die Linkspartei vom Verfassungsschutz beobachtet wird, vor der Wahl dieser Partei warnen. Das ist doch politische Willensbildung.
Eben weil sich der Geheimdienst hier in einer Grauzone bewegt, lehnen wir seinen Einsatz in Bildungseinrichtungen kategorisch ab. Unser Aufruf, die Tätigkeit einzustellen, wird von einer ganzen Bandbreite von Menschen und Vereinen unterstützt: Da sind Leute von der Linkspartei, den Grünen und der SPD dabei, ebenso wie aus Gewerkschaften, der Wissenschaft, Personen und Initiativen der freien Bildungsarbeit, aber auch Schülerinnen und Schüler. Wer Interesse hat, kann den Aufruf unter http://bildenohnegeheimdienst.blogsport.de/ lesen und unterstützen.
Fragen: Fabian Lambeck
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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