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Ostsouvenirs und Westtechnik

Ausstellung »Wohnkultur« im Museum Lichtenberg

  • Anouk Meyer
  • Lesedauer: 2 Min.
Wuchtige Sesselungetüme um den runden Tisch mit Spitzendeckchen, riesige Schrankwände, gefüllt mit Ostsouvenirs und Westtechnik, rote 50er-Jahre-Stühle im Garten: In 40 ostdeutschen Wohnungen war Fotograf Holger Herschel 1992 zu Gast und porträtierte in 240 Dias Wohn- und Schlafzimmer, Küchen, Bäder und Veranden. Die Ausstellung »Wohnkultur« im Museum Lichtenberg wirft bis 24. Juli einen Blick zurück auf ein Land im Übergang zwischen altem und neuen System.
Klobiges Küchenensemble
Klobiges Küchenensemble

Da dient die rote Decke mit »Coca-Cola«-Logo als Überwurf für ein altgedientes Bett, hängt eine auffällig moderne Jacke an einer dreiteiligen Holzgarderobe – »die hatte meine Mutter auch!«, erzählt der auskunftsfreudige Aufseher. Der neue Videorekorder thront in der Carat-Schrankwand aus Sebnitz.

Neu gekaufte Westprodukte und DDR-Mobiliar mixen sich aufs Schönste, wie man auf den Dias sehen kann, die drei Projektoren unermüdlich an die Wand des kleinen Museumsraums werfen.

Entstanden sind die Bilder in unterschiedlichen Milieus und Städten, als Auftragsarbeit für eine soziologische Untersuchung der Wohnkultur in Ostdeutschland. Der freiberufliche Fotograf Holger Herschel, der vor der Wende an der Humboldt-Uni Soziologie studiert hatte und bis 1988 als Soziologe an der Bauakademie der DDR in Berlin tätig war, schien prädestiniert für das Projekt. Wochenlang reiste er durch die östlichen Bundesländer und erhielt Einlass in die Domizile verschiedenster Menschen, durfte alte und neue Küchen, Badezimmer und Wohnräume fotografieren – die Gartenlaube an der Ostsee ebenso wie die schlicht-schicke Schauspielerwohnung in Berlin oder die Arbeiterbude in Chemnitz.

Mit dem Abstand von 19 Jahren offenbaren sich so Einblicke in ein Land, das noch mitten im Umbruch steckt: viele Ostmöbel, dazwischen neueste Konsumenten-Technik wie Fernseher, Stereoanlage oder Videorekorder und auch mal ein schickes neues Sofa in schwarzem Leder, wie es Anfang der 90er angesagt war.

Noch sieht man auch viele der inzwischen abgerissenen Kachelöfen in den Räumen sowie die klobigen Boiler in den Bädern. Gemusterte Tapeten und viel Holz an den Wänden lassen die Zimmer klein und überladen aussehen. Und nicht selten sieht man identische Hängeschränke, Blumenregale oder Lampen die unterschiedlichsten Wohnungen zieren, eine cremefarbene Stehlampe mit Fransen zum Beispiel. »Einheitsmodell, hatten fast alle«, kommentiert der kundige Museumswärter. Und erinnert an die oft limitierte Auswahl in der Planwirtschaft. Heute bietet dagegen IKEA einen Einheitslook für deutsche Wohnungen an.

Interessant sind die alten Fotografien aber auf jeden Fall – für Ostler wie für Westler. Schade nur, dass weder Ort noch Besitzer angegeben sind: So bleibt nur das Ratespiel, wer die jeweiligen Räume bewohnt haben könnte, ein junges Paar, eine Künstler-WG oder eine alte Frau.

Bis 24. Juli im Museum Lichtenberg, Türrschmidtstr. 24; geöffnet Di.-Fr. und So. 11-18 Uhr

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