Kopfgeld für Pflegekräfte

Altenheime und Kliniken suchen neue Wege aus der Personalnot – Beispiele aus dem Norden

  • Irena Güttel, dpa
  • Lesedauer: 4 Min.
Jahrelang gab es mehr Pflegekräfte als Stellen. Doch nun wird das Personal knapp. Die Not macht Krankenhäuser und Altenheime erfinderisch. Mit Massagen, flexiblen Arbeitszeiten und guter Kinderbetreuung buhlen sie um Mitarbeiter – zum Beispiel in Bremen und Hannover.

Bremen. Massagen für geschundene Rücken, kostenlose Kinderbetreuung in den Schulferien oder Kopfgeld auf neue Mitarbeiter – Pflegekräfte werden von Krankenhäusern und Altenheimen inzwischen heiß umworben. Schon heute können die Arbeitgeber viele Stellen nicht besetzen – und der demografische Wandel wird das Problem in den nächsten Jahren weiter verschärfen. Experten sprechen bereits von einem »Kampf um Pflegekräfte«. Diesen führen die Personalabteilungen durchaus kreativ.

1000 Euro sind neue Angestellte den vier großen Krankenhäuser in Bremen Wert. So viel zahlen sie ihren Mitarbeitern, wenn es diesen gelingt, eine Fachkraft für eine unbesetzte Stelle anzuwerben. »Wir erhoffen uns, dass wir dadurch einfach schneller an Personal kommen«, erläutert Daniel Goerke, Sprecher beim Klinikverbund Gesundheit Nord. Seit April kamen dank der Mund-zu-Mund-Propaganda drei neue Arbeitsverträge zustande.

Tagung in Hamburg

Über akuten Personalmangel können die Bremer – außer in sehr spezialisierten Fachrichtungen wie auf der Kinderintensivstation – zurzeit nicht klagen. Doch die Prognosen lassen jetzt schon die Alarmglocken schrillen. Das Statistische Bundesamt geht davon aus, dass 150 000 Kranken- und Altenpfleger im Jahr 2025 fehlen werden. Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste rechnet sogar mit rund 220 000 fehlenden Pflegekräften – und zwar bis 2020.

Mit Hochglanzbroschüren, selbst gedrehten Youtube-Videos, Facebook- und Twitter-Auftritten, witzigen Werbeaktionen und auf Jobmessen buhlen die Pflegeeinrichtungen um Mitarbeiter. »Das sind eher Gags, die Aufmerksamkeit erwecken«, meint der Präsident des Gesundheitswirtschaftskongresses, Heinz Lohmann. Die Fachtagung wird sich Ende August in Hamburg mit kreativen Wegen aus der Personalnot beschäftigen. Dabei rückt immer mehr in den Fokus, was in anderen Branchen schon lange üblich ist: ein attraktiver Arbeitgeber zu sein.

Das hat auch der Bremer Klinikverbund erkannt. »Viel wichtiger als die Prämie ist, dass unsere Mitarbeiter Beruf und Familie vereinbaren können«, sagt Goerke. Das ist im Schichtdienst nicht immer einfach, trotz flexibler Arbeitszeitmodelle. Deshalb sind die Kitas der Kliniken nicht nur länger geöffnet. Sie bieten in den Schulferien auch kostenlose Betreuung für Kinder an, die sonst in externen Einrichtungen untergebracht sind. Betriebssport und Weiterbildungen sollen die rund 7300 Angestellten bis ins hohe Alter fit halten.

Einen ähnlichen Weg geht die Medizinische Hochschule Hannover. Sie will an die sogenannten stillen Ressourcen ran – meist Frauen, die nach einer Schwangerschaft für längere Zeit zu Hause geblieben sind und sich nun vor einem Wiedereinstieg scheuen. »Man hat gut geschultes Personal, das aber nicht genutzt wird«, sagt der Sprecher der Uniklinik, Stefan Zorn. Pflegekräfte können deshalb spezielle Kurse besuchen, die sie ein dreiviertel Jahr lang auf die neuen Berufsanforderungen vorbereiten. Ihre Kinder können sie in der Zeit kostenlos betreuen lassen.

Schlechtes Image

Dem Image der Pflege haben die jahrelangen Versäumnisse geschadet. »Jugendliche sind an dem Beruf kaum interessiert«, sagt der Direktor des Instituts für Public Health und Pflegeforschung, Stefan Görres. Laut einer Studie des Instituts, wofür die Mitarbeiter fast 500 Schüler in Norddeutschland befragten, assoziieren diese vor allem Gebrechen, Tod, anstrengende Arbeit und hohe Belastung.

Das bekommt auch das Westküstenklinikum in Schleswig-Holstein an seinen zwei Standorten in Brunsbüttel und Heide zu spüren. Zweimal im Jahr bildet es an der eigenen Pflegeschule Nachwuchskräfte aus. »Um diese Ausbildungsplätze voll zu kriegen, muss man was tun«, sagt Geschäftsführer Harald Stender. Eine Mitarbeiterin besucht regelmäßig Schulen, um dort über den Pflegeberuf zu informieren. Außerdem können Klassen die Kliniken besuchen und mit Krankenschwestern oder Pflegern über deren Arbeit sprechen.

Doch ob all diese Bemühungen helfen, den drohenden Personalmangel in der Pflege auf lange Sicht zu beheben? Der Bundesverband der privaten Pflege-Anbieter ist da skeptisch. Massagen und Fitnesstraining zeigen nach Ansicht von Verbandspräsident Bernd Meurer genauso wie Werbekampagnen nur kurzfristige Effekte. »Die anderen sind ja nicht dumm. Ein halbes Jahr später machen die das auch.« Und flexible Arbeitszeiten stoßen in der Pflege schnell an ihre Grenzen. An Nacht- und Wochenendschichten kommt eben keiner vorbei.

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