Ende des Automärchens

  • Robert Kurz
  • Lesedauer: 3 Min.
»Das Ende des Automärchens wird das ungelöste Problem der globalen Überkapazitäten erneut auf die Tagesordnung setzen.«
»Das Ende des Automärchens wird das ungelöste Problem der globalen Überkapazitäten erneut auf die Tagesordnung setzen.«

Allem Gerede von der Dienstleistungsgesellschaft zum Trotz: Die industrielle Produktion ist weiterhin die Basis realer kapitalistischer Wertschöpfung. Und die Autoindustrie bildet immer noch den Kernsektor. Ein breites Spektrum von Zulieferern und Dienstleistungen ist davon abhängig. Deshalb waren die Autokonzerne bei dem großen Kriseneinbruch 2009 neben dem Bankensystem die bevorzugten Empfänger staatlicher Hilfen. Mit direkten Staatsbeteiligungen (General Motors), Rettungsmaßnahmen und Bürgschaften wurde ihnen ebenso unter die Arme gegriffen wie mit einer Subventionierung des Autoverkaufs – hierzulande mit der berüchtigten Abwrackprämie. Das war auch bitter nötig, denn gerade in der Autoindustrie hatten sich die größten globalen Überkapazitäten aufgebaut, die nach dem Zusammenbruch der fiktiven, aus den Finanzblasen gespeisten Kaufkraft abzuschmelzen drohten wie Schnee in der Sonne.

Binnen kürzester Zeit galten die Autokonzerne überall wie durch ein Wunder als gerettet. Die Geldschwemme der Notenbanken tat ein übriges, um die abstürzende Konjunktur aufzufangen. Und auch davon profitierte zu erheblichen Teilen der Autoabsatz, denn die rollende Blechdose ist nun einmal das bevorzugte Objekt der Begierde. Wer gerade dem Verhungern entkommen ist, träumt als nächstes von einem Auto. Besonders China erlebte einen Auto-Boom mit geradezu phantastischen Wachstumsraten. Wenige Monate genügten, um das Land als wichtigsten neuen Exportmarkt der deutschen Autobauer glänzen zu lassen. Ein Warnzeichen hätte sein können, dass nicht etwa kleine und mittlere Wagen das Gros des Exportwunders ausmachten, sondern die Premiumklasse. Kein solider Massenkonsum reifte hier heran, sondern eher das Protzbedürfnis von Krisengewinnlern – nicht zuletzt auf der luftigen Basis der chinesischen Immobilienblase, die (neben den staatlichen Programmen) als Treibsatz der Konjunktur die US-amerikanische abgelöst hatte.

Bekanntlich geht inzwischen den Staatsfinanzen weltweit die Luft aus. Die Schuldenkrisen der USA und der EU schlagen auf die Konjunktur zurück. In China sind es die galoppierende Inflation und die bislang unzureichenden Dämpfungsmaßnahmen der Notenbank, die eine Abkühlung anzeigen. Wie die Autoindustrie zu den ersten Nutznießern der Rettungspakete gehört hatte, so dürfte sie nun umgekehrt auch als erste von der immer wahrscheinlicher werdenden Rückkehr der globalen Rezession getroffen werden. Der Aufschwung war zu schnell und zu üppig, um wahr zu sein. Schon im zweiten Quartal 2011 ist der Pkw-Weltmarkt in eine Stagnation übergegangen. Die Prognosen werden nach unten korrigiert, für 2012 von 65 auf 60 Millionen Autos.

Das Ende des Automärchens wird auch bald das substanziell ungelöste Problem der globalen Überkapazitäten erneut auf die Tagesordnung setzen. Die alten Bankrottkandidaten sind auch die neuen, an vorderster Stelle General Motors. Wenn das mit Hilfe von Staatsspritzen vorgetäuschte robuste Geschäft sich in das alte Elend auflöst, wird auch das Schicksal der deutschen GM-Tochter Opel erneut auf der Kippe stehen. Die Gerüchte über einen möglichen Verkauf vor einigen Monaten sprachen schon eine deutliche Sprache. Nur wird das Unternehmen bei einem neuen konjunkturellen Einbruch keiner mehr haben wollen. Der zahme Adler des subventionierten Aufschwungs könnte schon bald wieder zum Pleitegeier der Krise mutieren. Auf jeden Fall zeigt die Entwicklung der Autoindustrie exemplarisch die Entwicklung der Weltwirtschaft an.

In der wöchentlichen ND-Wirtschaftskolumne erläutern der Philosoph Robert Kurz, der Ökonom Harry Nick, die Wirtschaftsexpertin Christa Luft und der Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel Hintergründe aktueller Vorgänge.

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