»Wohin sollen die Leute noch ziehen?«

Mieterhöhung der Degewo erschreckt Marzahner / Müllschlucker noch nicht gerettet

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 3 Min.

Svetlana Hayduk ist sauer. Seit neun Jahren wohnt sie in dem Elfgeschosser in der Wittenberger Straße in Marzahn. In diesem Zeitraum ist die Miete ihrer kleinen Dreiraumwohnung um ein Viertel gestiegen, von monatlich 400 auf 500 Euro brutto/warm. »Ohne dass viel an dem Haus gemacht wurde«, ärgert sie sich.

Und jetzt verlangt die Wohnungsbaugesellschaft Degewo erneut eine Mieterhöhung, rund neun Euro monatlich soll Hayduk ab 1. Oktober zusätzlich zahlen. »Das klingt nicht viel, aber wenn man kaum mehr als ein Hartz-IV-Empfänger zur Verfügung hat, ist es viel«, sagt die Kulturdolmetscherin, die ehrenamtlich nach Berlin übergesiedelte Russlanddeutsche betreut. Viele von ihren Schützlingen sollen ebenfalls mehr Miete bezahlen, darunter viele Arbeitslose. Bei manchen seien es drei, bei anderen 30 Euro, weiß Hayduk. Manche würden aber schon heute über den Regelsätzen für die Miete liegen, die das Jobcenter bewilligt und müssten die Differenz irgendwie selbst zahlen. »Aber jetzt kommen sie an die Grenze. Sollen sie zum Auszug gezwungen werden?« fragt die engagierte Frau.

Rund 3000 Haushalte vornehmlich in Marzahn-Nord sind mit den Mietforderungen der Degewo konfrontiert. Formal hat alles seine Richtigkeit. Die Mieten sind innerhalb von 15 Monaten nicht mehr erhöht worden, stiegen binnen dreier Jahren nicht um mehr als 20 Prozent, und auch mit dem jetzt verlangten Zuschlag wird die ortsübliche Vergleichsmiete nicht überschritten. Das weiß auch der LINKE-Abgeordnete Wolfgang Brauer, der hier seinen Wahlkreis hat und schon viele Beschwerden der Bewohner entgegennehmen musste. »Ein landeseigenes Wohnungsunternehmen sollte nicht jede gesetzlich mögliche Mieterhöhung exekutieren«, mahnt er die Degewo, sich ihrer sozialen Verantwortung zu stellen. Besonders ärgert ihn, dass es »keinen einzigen sachlichen Grund« – etwa bauliche Verbesserungen – für die beabsichtigten Erhöhungen anführt.

Auch Brauer verweist darauf, dass viele der Betroffenen nicht in der Lage seien, ihre Miete selbst zu bezahlen. Die Degewo-Forderungen würden somit erhöhte Wohngeldzahlungen des Landes zu Folge haben. »Da wird von der rechten in die linke Tasche gewirtschaftet«, grollt Brauer und fordert das Unternehmen auf, die Erhöhungen zurückzunehmen. Denn wohin sollen die Leute noch ziehen, die sich die Miete hier nicht mehr leisten können? »Marzahn-Hellersdorf gilt ja schon als billigster Bezirk«, so Brauer.

Den Vorwurf, ein Miettreiber zu sein, weist man bei der Degewo zurück. Ginge es allein nach wirtschaftlichen Kriterien, »müssten wir die Mieten noch stärker erhöhen«, so Sprecher Lutz Ackermann. Während im Bezirk Marzahn-Hellersdorf die Durchschnittsmiete bei 5,23 Euro netto/kalt pro Quadratmeter liege, betrage sie in den Degewo-Beständen 4,92 Euro, in Marzahn-Nord sogar nur 4,80 Euro. In diesem Quartier würden die Wohnungen jetzt im Schnitt sieben Euro im Monat teurer. »Wir wissen, dass es dort viele einkommensschwache Mieter gibt, halten diese Erhöhung aber für verträglich«, sagt Ackermann. »Wir sind auch verpflichtet, die Wohnungen instand zu halten, deshalb kommen wir in bestimmten Abständen um Mieterhöhungen nicht herum.«

Keine guten Nachrichten gibt es auch für Mieter in Häusern, die über Müllschlucker verfügen. Nach mehreren Kurswechseln des Abgeordnetenhauses in dieser Frage sollten die Anlagen nun doch nicht geschlossen werden müssen, wenn die Mülltrennung gewährleistet ist. Wie dies geschehen soll, hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung jetzt das Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf informiert. Demnach müsste es in den Anlagen drei unterschiedliche Wertstoffschächte geben oder entsprechende Tonnen in den Vorräumen. »Das wäre baulich nicht umsetzbar und somit das Aus für die Anlagen«, so Bezirksbürgermeisterin Dagmar Pohle (LINKE). Damit würde der politische Wille des Parlaments, die Anlagen zu erhalten, konterkariert. Die Bezirksverordnetenversammlung hat deshalb auf Antrag der Linksfraktion den Senat zur Klarstellung aufgefordert.

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