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Demonstration für Mietenstopp?
Jörn Schulte über massive Verdrängung aus Berliner Innenstadtbezirken / Schulte ist Pressekoordinator beim Berliner Mietenstopp-Bündnis
ND: Sie planen für Sonnabend in Berlin eine Mietenstopp-Demonstration. Worum geht es dabei?
Schulte: Wir wollen eine große Demonstration durchführen, die sich gegen Mieterhöhung, Armut und Verdrängung richtet und das Ziel hat, während des Wahlkampfes einen Kontrapunkt zu setzen. Es soll deutlich werden, dass die MieterInnen eine außerparlamentarische Vertretung brauchen.
Große Demonstration? Wie viele TeilnehmerInnen erwarten Sie?
Wir organisieren graswurzelmäßig in den Stadtteilen, das heißt wir haben einen sehr weiten Verbreitungsgrad und gleichzeitig keinen wirklichen Überblick, wie viele kommen. Die Schätzungen gehen von 5000 bis 10 000 TeilnehmerInnen.
Außerparlamentarisch, graswurzelmäßig. Was sind das für Gruppen, die mitmachen?
Seit zwei bis drei Jahren gibt es den Versuch, Stadtteilinitiativen aufzubauen, die sich in der Analyse radikaler bewegen und sich nicht mehr verarschen lassen von der großen Politik. Wir haben festgestellt, dass die Leute durch die steigenden Mieten massiv verdrängt werden. Vor allem arme Menschen. Und arm heißt in diesem Fall sowohl untere Mittelschicht als auch prekär Beschäftigte als auch Transfer-Empfängerinnen, RentnerInnen sowie Alleinerziehende. Auf diese Leute beziehen wir uns. Insgesamt gibt es zwölf vernetzte Stadtteilinitiativen in Berlin.
Sich radikaler bewegen, was meinen Sie damit konkret?
Konsequent sein trifft es vielleicht besser. Zunächst gilt es zu analysieren, was in den Kiezen passiert. Wir stellen fest, dass die Leute, die verdrängt werden, keinerlei politische Vertretungen in den Parlamenten haben. Deshalb müssen sich die Leute selber organisieren und sie müssen über Legalitätsgrenzen hinweg Entwürfe entwickeln, wie sie die Verdrängung verhindern können.
Legalitätsgrenzen?
Es geht darum, dass die unterschiedlichen Schichten herausfinden, was für Optionen sie haben. Wir diskutieren derzeit, ob zum Beispiel Mietverweigerungen zu unterstützen sind. Etwa bei einer Wohnungsgesellschaft, die ihre Mieten erhöht hat. Der Druck könnte so groß werden, dass die Mieterhöhung zurückgenommen werden muss. Im Fall der GSW-Häuser, die erst verschenkt und jetzt als Spekulationsobjekte freigegeben wurden, hat es Versuche gegeben, ein Gebäude zu besetzen. All das ist erst der Anfang.
Parteien werden von Ihnen kategorisch ausgeschlossen, aber Mieterverbände unterstützen Sie nicht.
Der Berliner Mieterverein betreibt juristische Beratung und positioniert sich wenig politisch. Die Berliner MieterGemeinschaft dagegen unterstützt unser Anliegen, aber es ist eben ein Basisaufzug. Parteien haben auf der Demonstration nichts zu suchen. Erst recht nicht im Wahlkampf. Zu ihnen gibt es keinerlei Vertrauen mehr.
Die Berliner LINKE und SPD haben immerhin eine Bundesratsinitiative gemacht und die Umwandlung von Eigentumswohnungen erschwert. Ferienwohnungen sollen künftig auch nicht mehr zweckentfremdet werden.
Wir sehen das anders. Rot-Rot hat nach neun Jahren eine verheerende Bilanz vorzuweisen: Eine Wohnungsbaugesellschaft wurde sogar privatisiert. Das ist neoliberale Stadtpolitik. Bis zur Wahl und möglicherweise darüber hinaus wollen wir deshalb den Druck auf der Straße aufrecht erhalten.
Fragen: Martin Kröger
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