Wohin treibt der Sozialstaat?

Konferenz in Berlin diskutiert Auswirkungen der Finanzkrise

  • Klaus Steinitz
  • Lesedauer: 2 Min.
Der Sozialstaat ist eine der wichtigsten Errungenschaften europäischer Nachkriegsgeschichte. Seine Aushöhlung gehört zu den gefährlichsten Tendenzen seit dem Aufstieg des Finanzmarktkapitalismus. Welche Entwicklung wird der Sozialstaat nehmen? Diese Frage diskutierten die Teilnehmer der Konferenz »Der Sozialstaat im 21. Jahrhundert«, die von der Hellen Panke – Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin in Kooperation mit WISSENTransfer Anfang September stattfand.

Ein Ergebnis dieser Politik ist, dass Deutschland nach den USA den höchsten Anteil von Niedriglohnbeschäftigung aufweist. Ein anderes, dass Armut über den gesamten Lebensverlauf hinweg grassiert. Zu Beginn der Konferenz stand der Weg der fordistischen Wohlfahrtsstaaten zu den heutigen neoliberalen Wettbewerbsstaaten. Christoph Butterwegge von der Universität Köln skizzierte die wichtigsten Merkmale so: Umverteilung im Sinne des Standortwettbewerbs, Minimal- statt Grundsicherung, stärkere Repressionen gegen Widerstände und der Ausbau des »aktivierenden« Sozialstaats, in dem die Marktlogik nach dem Prinzip Leistung durchgesetzt wird.

Eine Alternative zu diesen Tendenzen sieht der Sozialwissenschaftler im Umbau der Sozialversicherung zu einer allgemeinen Bürgerversicherung, die »bedarfsorientiert, repressionsfrei und armutsfest« gestaltet werden und in der das Solidarprinzip eine größere Rolle spielen müsse.

Auf eine Folge des Umbaus machte Lutz Brangsch von der Rosa-Luxemburg-Stiftung aufmerksam, der aufzeigte, wie sich die staatliche Machtausübung mit dem Übergang zum Finanzmarktkapitalismus verändert hat und welche negativen Konsequenzen das für den Sozialstaat hat: Aushöhlung der Demokratie durch die Stärkung der Exekutive, Unterordnung der sozialen Sicherheit unter die Zwänge der Haushaltspolitik und das Schrumpfen der sozialen Räume für die Selbstbestimmung.

Doch wie den Widerstand stärken? Christian Brütt, Mitarbeiter der Linksfraktion, fordert, dass sich die Linke weit stärker für die Demokratisierung des Sozialstaats einsetzen müsse.

Ein Ansatzpunkt für zukünftige Modelle ist immer wieder das Bedingungslose Grundeinkommen. Auf der Pro-Seite begründete Stefan Wolf, Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Bedingungsloses Grundeinkommen, wie das Modell ausgestaltet und finanziert werden könnte. Der Gewerkschafter Ralf Krämer von ver.di setzt dagegen auf eine bedarfsorientierte soziale Grundsicherung, die aktive Beschäftigungspolitik, eine Erhöhung der Reallöhne und eine umfassende Bürgerversicherung miteinander verbinden müsse.

Welche neuen Herausforderungen bei der zukünftigen Gestaltung des Sozialstaats zu beachten sind, wurde am Beispiel von zwei Problemen charakterisiert: Uwe Witt, Mitarbeiter der Linksfraktion, analysierte die gewaltigen Herausforderungen, die sich aus der Umwelt-, Klima- und Ressourcenkrise sowie dem notwendigen sozial-ökologischen Umbau ergeben. Sei Fazit: »Die ökologischen und sozialen Probleme werden immer enger miteinander verflochten und können nur zusammenhängend gelöst werden.«

Alexandra Wagner, Forschungsteam internationaler Arbeitsmarkt, stellte zentrale Entwicklungen in der Erwerbsarbeit dar und schlug Interventionen zur Lösung von Arbeitslosigkeit und Prekarisierung vor, die – wie bestimmte Ausgestaltungen des Öffentlichen Beschäftigungssektors – noch intensiver diskutiert werden müssen.

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