Unverhältnismäßig und rechtswidrig

Scharfe Kritik in Dresdner Handydatenaffäre von Datenschutzbeauftragtem und Opposition

  • Jörg Meyer
  • Lesedauer: 2 Min.
Der sächsische Datenschutzbeauftragte kritisiert das Vorgehen der Dresdner Behörden scharf. Polizei und LKA seien in ihrer Datensammelwut übers Ziel hinaus geschossen.

Andreas Schurig hat deutliche Worte gefunden. »Die Funkzellenabfragen des LKA Sachsen am 18. und 19. Februar 2011 in Dresden schossen weit über das Ziel hinaus. Bereits die zeitlichen und örtlichen Ausmaße waren nicht angemessen. Auch eine darüber hinausgehende Prüfung der Verhältnismäßigkeit war nicht erkennbar«, schreibt der Sächsische Datenschutzbeauftragte in seinem Bericht an den Landtag. Er habe zudem die Vorgänge offiziell beanstandet. Bis Ende des Jahres müssen die Behörden die Daten reduzieren und die Betroffenen informieren. Weiter fordert Schurig eine Sperrung der Rohdaten, damit an diesen nicht manipuliert wird, Betroffene informiert oder gegen die Erfassung ihrer Daten klagen können.

Bei den Protesten gegen den jährlichen Naziaufmarsch im Februar war es neben Massenblockaden zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Protestierern gekommen. Zudem läuft in Sachsen seit längerem ein Ermittlungsverfahren gegen Linke wegen »Bildung einer kriminellen Vereinigung«. Das sächsische LKA und die Dresdner Polizei hatten darum für den 13., 18. und 19. Februar Mobilfunkdaten von Zehntausenden Menschen bei Anbietern abgefragt.

Allein das Benachrichtigen Zehntausender Menschen dürfte der Portokasse einen schweren Schlag versetzen. »Das ist bitter, aber das haben sich die Strafverfolger selbst eingebrockt«, sagte Schurigs Sprecher Andreas Schneider gegenüber ND. »Wenn man in dem Umfang Daten erhebt, muss man vorher einen Plan haben, wie man gemäß der gesetzlichen Vorgaben damit umgehen will.« Eine derartige Datensammlung sei in der Geschichte der Bundesrepublik »einzigartig«, so Schneider.

Mit dem Bericht werden auch neue Fakten bekannt: Der Antrag auf Funkzellenabfragen war von der Staatsanwaltschaft als richterlicher Beschluss vorformuliert – auf dem Briefpapier des Dresdner Amtsgerichts. Das Papier wurde von einem Richter unterzeichnet, einzelne Änderungen noch am Folgetag eingetragen. Die Praxis des Vorformulierens scheine in Sachsen »üblich« zu sein, schreibt Schurig. Doch die Staatsanwaltschaft ficht das nicht an. Gestern Nachmittag teilte Sprecher Lorenz Haase mit, die Verhältnismäßigkeit sei gegeben, ansonsten hätte das Gericht den Beschluss nicht erlassen. Ganz einfach. Das Innenministerium äußerte sich ähnlich und kündigte für nächste Woche ein Gutachten an, das zu anderen Schlüssen komme als Schurig in seinem Bericht.

Die Opposition im Landtag begrüßte den Bericht und kritisierte die Landesregierung scharf. Von einer »Karikatur des Rechtsstaats«, sprach der rechtspolitische Sprecher der Grünen, Johannes Lichdi. Insbesondere die im Bericht enthaltenen Stellungnahmen von Staatsanwaltschaft und LKA »sind abbügelnd, vernagelt und zum Teil hanebüchen«, sagte die SPD. Linksfraktionsvorsitzender André Hahn forderte, Innen- und Justizministerium müssten die Forderungen des Datenschutzbeauftragten umgehend erfüllen und darüber umfassend und öffentlich informieren.

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