Nächster Versuch: Claudia Pechstein zeigt sich selbst an

Eisschnellläuferin will in einem zweiten Verfahren ihre Unschuld beweisen

  • Jörg Mebus, SID
  • Lesedauer: 3 Min.

Claudia Pechstein schlägt im Kampf um ihren guten Ruf ein weiteres Kapitel auf. Ein halbes Jahr nach Ablauf ihrer Dopingsperre stellt die fünfmalige Eisschnelllauf-Olympiasiegerin als erste Athletin überhaupt Selbstanzeige wegen eines möglichen eigenen Doping-Vergehens. Das Ziel der 39 Jahre alten Berlinerin ist klar: Die Adressaten der Selbstanzeige, die Anti-Doping-Weltagentur WADA, deren deutscher Ableger NADA, der Eislauf-Weltverband ISU und die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG), sollen ihren Dopingfall neu aufrollen – und ihre Unschuld feststellen.

Pechstein hat mittlerweile von der ISU, die sie im Februar 2009 wegen erhöhter Blutwerte für zwei Jahre gesperrt hatte, die Ergebnisse ihrer jüngsten Bluttests erhalten. »Meine neuen offiziellen Werte liegen mir vor, und sie sind nach wie vor erhöht. Von daher werde ich nun Selbstanzeige einreichen«, sagte Pechstein.

Nach Ablauf ihrer Sperre war Pechstein wieder bei Weltcups gelaufen und auch getestet worden. Ebenso bei den Einzelstrecken-Weltmeisterschaften im März in Inzell, wo sie ihr Comeback mit dritten Plätzen über 5000 Meter und in der Team-Verfolgung gekrönt hatte.

In Inzell ergaben nach Pechsteins Angaben drei von vier Tests überhöhte Retikulozyten-Werte, in einem Fall sogar deutlich über dem zulässigen ISU-Grenzwert von 2,4 Prozent. Seit ihrem Comeback haben die Tests laut Pechstein einen Mittelwert von knapp dieser Größe erreicht. Weitere Details will Pechstein heute im Internet veröffentlichen.

Pechstein hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass am Ende ihres langen Kampfes eine Schadenersatzklage gegen die ISU (»Sie hat mein Leben zerstört.«) stehen soll. Die Erfolgschancen einer solchen Klage wären im Fall eines Freispruchs im zweiten Anlauf viel höher.

Pechstein glaubt, mittlerweile bewiesen zu haben, dass die erhöhten Werte ihrer frischen roten Blutkörperchen (Retikulozyten) das Ergebnis einer vererbten Anomalie sind. Derselben Ansicht sind zahlreiche Hämatologen, darunter der italienische ISU-Gutachter Alberto Zanella. Die ISU, die Pechstein nur anhand des indirekten Dopingnachweises sperrte, hatte in ihrem Urteil eine andere Ursache als Doping ausgeschlossen.

Den neuen Vorstoß Pechsteins kommentiert der Weltverband zurückhaltend. »Die neuen Werte haben keinen Einfluss auf in der Vergangenheit gefällte Entscheidungen«, sagte ISU-Sprecherin Selina Vanier. Wahrscheinlich wird sich die ISU in ihrer Reaktion auf die Selbstanzeige Pechsteins auf die neuen Verfahrensrichtlinien der WADA zum Umgang mit indirekten Doping-Nachweisen berufen. Jene »WADA-Guidelines« traten erst sechs Tage nach dem Urteil gegen die Berlinerin in Kraft und ihnen zufolge wäre eine Faktenlage wie die im Fall Pechstein nicht mehr ausreichend für eine Anklage.

Pechstein bereitet sich derzeit auf die neue Saison vor, in der sie das volle Programm bestreiten will. Nachdem sie im Sommer wenig erfolgreich bei den deutschen Bahnrad-Meisterschaften gestartet war, ist sie fest entschlossen, bei den Winterspielen 2014 in Sotschi auf dem Eis zu stehen. Die sogenannte Osaka-Regel des IOC verbietet es ihr als Doping-überführte Athletin bislang, an den Spielen teilzunehmen. Sie hofft auf eine Ausnahmegenehmigung.

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