Koalition schwört: Keine griechische Tragödie
Athen muss auf nächste Überweisung warten / Schwarz-Gelb spielt auf Zeit / Entscheidung über Rettungsschirm erst im nächsten Jahr
Zeit ist Geld. Nicht immer funktioniert diese Volksweisheit, vor allem nicht beim Geld. Politisch aber richtet man sich zuweilen gern nach ihr. So wird derzeit verschoben, was sich verschieben lässt, um Konflikte zu managen, die nicht gelöst werden können. Nicht an diesem Montag, sondern erst im Oktober wollen nun die Euroländer über die Freigabe der nächsten Kreditrate an Griechenland entscheiden. Das teilte der Währungskommissar Olli Rehn am Rande eines Treffens der Finanzminister der EU-Staaten und der USA im polnischen Wroclaw mit. Rehn ist Finne, und sein Land hat die Gemeinschaft soeben mit zusätzlichen Garantieforderungen für geleistete Hilfen konfrontiert. Rehn machte deutlich: Die griechische Regierung müsse bis zum Erhalt des Geldes aber die vereinbarten Sparziele erreichen. »Der Ball liegt bei den Griechen.« Über Ergebnisse des Treffens wurde nichts bekannt.
Die Berliner Koalition kann den Ball nirgendwohin schießen. Auf Zeit spielt aber auch sie. Nachdem die FDP in der Wählergunst abstürzte – kurz vor der Berliner Wahl ein Horrorszenario – und FDP-Chef Rösler, aber auch Teile der Unionsparteien sich immer mutiger für einen Ausstieg Griechenlands aus der Euro-Union aussprechen, schien dies nicht nur das überschuldete Land, sondern auch die Koalition ins Schlingern zu bringen. Griechenland könnte erneut Opfer von Finanzspekulanten werden, die Koalition werde Opfer politischer Spekulation, hieß es warnend. Doch siehe da: Die polarisierenden Sprüche von FDP-Chef Philipp Rösler oder Generalsekretär Christian Lindner zeigen überraschende Wirkung: Die Liberalen steigen sachte, aber sichtbar in der Wählergunst. Im Deutschlandtrend kletterten sie von drei auf fünf Prozent. Am Freitag, vor der Wahl in Berlin, kündigte Rösler an, neue Überlegungen zum Eurokurs präsentieren zu wollen – am Montag, nach der Wahl. Ein Schelm, wer darin den Versuch sieht, Zeit zu gewinnen. Das Gleiche gilt für die Mitteilung, dass die eigentlich für Ende 2011 vorgesehene Entscheidung im Bundestag über die Einrichtung des unbefristeten Euro-Rettungsschirms ESM nun ins nächste Jahr verschoben wird. Am kommenden Mittwoch stand das Thema auf der Tagesordnung des Bundeskabinetts. Ob die Verschiebung eine Art Überlebenshilfe der Kanzlerin für den kleinen Koalitionspartner ist oder Unterlagen aus Brüssel fehlen, wie Regierungssprecher Seffen Seibert zur Begründung mitteilte – der FDP kann es recht sein. Dort wird derzeit eifrig für eine Mitgliederbefragung geworben, eine Idee, die inzwischen auch Sympathien in den Reihen der Unionsparteien findet. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch nannte im »Kölner Stadt-Anzeiger« eine Mitgliederbefragung auch in seiner Partei »wünschenswert« Dabei »wäre sicherlich eine satte Mehrheit gegen die Griechenlandhilfe«.
Gerüchte allerdings, die FDP wolle Bedingungen für den Fortbestand der Koalition mit der Union formulieren – rote Haltelinien, wie man sie aus den Debatten auch anderer Parteien kennt – wies die Spitze der Liberalen zurück. Wie schon zuvor Spekulationen von der CDU zurückgewiesen worden waren, die Union suche nach einer Möglichkeit, die Große Koalition mit der SPD zu reanimieren. Christian Lindner zu angeblichen Bedingungen an den Koalitionspartner: »Das ist 'ne Ente. Ein Koalitionspapier mit roten Linien – das ist nicht beabsichtigt, und das wird nicht kommen.« Sicher nicht in direktem Zusammenhang mit Lindners Bekenntnis steht die Nachricht, dass dieser soeben von Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) zum Luftwaffen-Hauptmann der Reserve befördert wurde. Ein untadeliges Zeichen der Entspannung immerhin.
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