Schlummernde Stil-Schätze

In Spandau lagert eine große Sammlung von Designgegenständen aus der DDR

  • Anja Sokolow, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.

In diesem Gewerbegebiet im West-Berliner Außenbezirk Spandau tragen alle Gebäude Firmennamen, nur eine Halle nicht. Kein Schild, nicht einmal die Klingel verrät, dass sich hinter der fensterlosen Fassade eine der bedeutendsten Sammlungen von DDR-Design und -Alltagsgegenständen befindet. Seit Jahren wird sie im Verborgenen aufgearbeitet. Ab 2014 sollen Teile als Dauerausstellung in der Kulturbrauerei im Prenzlauer Berg zu sehen sein.

Unter Plastikplanen stehen Wartburgs, Mopeds und ein Prototyp für eine Lkw-Fahrerkabine, die nie in Serie ging. Ein paar Meter weiter lagern eine Ladeneinrichtung aus der Berliner Karl-Marx-Allee und Lampen aus dem »Tränenpalast«, dem einstigen Grenzgebäude an der Friedrichstraße. In der zweiten Etage, in einer Glasvitrine steht eine Marx-Büste aus Meissener Porzellan.

Rund 160 000 Gegenstände werden, zum Teil noch verpackt, in Kisten oder schon alphabetisch geordnet in riesigen Regalen aufbewahrt. Es sieht aus wie in einem Großmarkt. »Die Sammlung Industrielle Gestaltung umfasst alles – vom Eierlöffel über Mopeds, Autos, Plakate, Fotos, Dias, Möbel, Elektrogeräte bis hin zu Spielzeug und einer Bibliothek«, erklärt Mike Lukasch, Berlin-Koordinator der Stiftung Haus der Geschichte in Bonn.

Seit 2005 ist die Stiftung Eigentümerin der Sammlung, die 55 Jahre zuvor vom niederländischen Architekten Mart Stam (1899-1986) ins Leben gerufen wurde. An der DDR-Kunsthochschule in Berlin-Weißensee gründete der damalige Direktor das Institut für industrielle Gestaltung, das Betriebe bei der Verbesserung ihrer Produkte beraten sollte. Stam, Bauhaus-Anhänger und Verfechter funktionalistischer Gestaltung, passte der SED-Parteiführung aber nicht und musste das Institut schon 1951 verlassen. Die Sammlung wurde fortgeführt.

»Ulbricht hatte etwas gegen funktionalistische Möbel«, erinnert sich der Chemnitzer Clauss Dietel, einer der bedeutendsten Formgestalter der DDR, heute. Von Dietel stammen – oft in Zusammenarbeit mit Lutz Rudolph – Entwürfe für Gegenstände, an die sich viele DDR-Bürger erinnern: das Innere des Wartburgs 353, die Schreibmaschine »Erika 110«, Mokicks von Simson oder runde Lautsprecherboxen – ein Exportschlager für westdeutsche Wohnzimmer.

Dietel saß aber auch lang an Entwürfen, die nie verwirklicht wurden, so entwickelte er 25 Jahre lang Nachfolgemodelle für den Trabi. Materialmangel, Geldnöte und fehlende Technologien wiesen die DDR-Gestalter immer wieder in ihre Schranken. »Andererseits gab es bei vielen Herstellern große Offenheit für unsere Ideen«, so Dietel.

In der nun geplanten Ausstellung soll der Entstehungskontext der Gegenstände beleuchtet werden, betont Lukasch. »Wir wollen zeigen, warum etwas gebaut oder nicht gebaut wurde.« Die Bedingungen für die Designer seien manchmal gar nicht so schlecht gewesen. »Man hat erkannt, dass man mit gutem Design auch Devisen beschaffen kann. Wenn dann ein Radio in westdeutschen Katalogen auftaucht, das in Ostdeutschland seine Wurzeln hat, ist das natürlich hochspannend«, weiß Lukasch. Andersherum hätten sich natürlich auch DDR-Designer von westlichen Produkten inspirieren lassen.

Dietel freut sich, dass die Sammlung endlich in »trockenen Tüchern« ist – im wahrsten Sinne des Wortes. Nach der Wende war sie durch viele Hände gegangen: Wirtschaftsministerium, Land Berlin, Deutsches Historisches Museum. Und sie wurde durch Schenkungen immer größer. »Wir machen jetzt die Arbeit, die schon lange hätte gemacht werden müssen. Das führt einfach zu Verzögerungen«, sagt Lukasch. Immer wieder müsse er erklären, warum es seit 2005 keine Ausstellung mehr gab.

Seit Jahren sitzen Mitarbeiter im Depot, sichten die vielen Kisten und Kartons, dokumentieren und inventarisieren den Inhalt. »Was wir hier tun, dient dazu, diese ganzen Sachen dem nationalen und internationalen Leihverkehr überhaupt erst zu eröffnen. Etwa 10 000 Objekte, sind bislang erfasst. Der 76-jährige Dietel wünscht sich jedenfalls, die geplante Ausstellung in Berlin noch mitzuerleben – nicht aus Nostalgie, wie er betont: »Es ist ein Stück Kulturgeschichte und Geschichte kann man nicht einfach wegwerfen.«

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