Abschied mit Off-Beat
Eine letzte Tournee führte die legendäre britische Ska-Band The Specials in die Columbiahalle
Kurz und gut – mit dieser knappen Formel könnte man das Konzert der Ska-Veteranen The Specials in der Columbiahalle am Dienstag beschreiben. Das Publikum jedoch konzentrierte sich eher auf das »kurz«: Stinksauer reagierten die Berliner Fans auf den allzu schnellen Abschied der Band von ihrer eigenen Abschiedstournee. Adressat des Frustes war wie so oft ein Unschuldiger. Ein bedauernswerter Roadie musste wegen eines aus dem Publikum auf ihn niederprasselnden Regens aus Plastikbechern den Rückzug antreten. The Specials erkannten die Brisanz der Situation und ließen sich zu einer nicht geplanten Zugabe herab.
Dabei hatte der Abend in der zum Bersten gefüllten Halle so gut angefangen, die Voraussetzungen für ein großes Konzerterlebnis waren eigentlich gegeben. Da war zum einen die 1977 im britischen Coventry gegründete Band, die ihren Kultstatus absolut berechtigt innehat. Wie kaum eine andere Formation konnten The Specials einst popkulturelle Leichtigkeit mit der Auflehnung des Punk und politischem Engagement verbinden.
Und bis auf den überpünktlichen Konzertbeginn und -abschluss haben die zum Teil ergrauten Musiker auch alles richtig gemacht: Ohne großes Gewese wurden mit Off-Beat-Rhythmus und Bläsersatz die zahlreichen Klassiker der ersten beiden (und einzig beachtenswerten) LPs von 1979 und 1980 kredenzt. So konnten sich Working-Class-Nostalgiker sowie pophistorisch interessierter Nachwuchs bestens gelaunt zu »Concrete Jungle«, »Doesn't make it allright«, »Rat Race« und natürlich »A Message to You, Rudy« gemeinsam die Seele aus dem Leib schreien.
Denn die in ihrer Heimat bis heute fast als Heilige verehrten Briten trafen auf ein extrem motiviertes Publikum. Das bestand zu vier Fünfteln aus Männern, die Hälfte von ihnen Skinheads mit Pork-Pie-Hüten, doch auch die können schließlich singen und tanzen. Als anstrengend hätte man allenfalls die bei Konzerten von Popklassikern oft anzutreffende Spezies der bierernsten Extremverehrer empfinden können: keine Miene verziehend, jede Silbe mitsingend, das restliche Publikum als störende Unwissende verachtend.
Es ist kaum möglich, die am Dienstag im Zehnerpack aufgelaufenen The Specials nicht zu mögen. Zu gut sind sie bei Songwriting und an den Instrumenten, zu intelligent und stilvoll ist ihr gesamtes Auftreten – von der Garderobe bis zur propagierten linken, antirassistischen Denkweise. Und ihre Verdienste sind unbestritten. Gerade hat der mittlerweile 52-jährige Sänger Terry Hall in Interviews in Erinnerung gerufen, was es im England der späten 1970er Jahre noch für eine Sensation war, wenn schwarze und weiße Musiker zusammen auf der Bühne standen. Diese Rolle der toleranten Avantgarde versuchte der jüdische Musiker – allerdings nicht annähernd so wirkungsvoll – 2003 noch einmal einzunehmen, als er mitten in der 9/11-Hysterie eine Platte mit arabischen Jugendlichen aufnahm. In jenen Interviews ist jedoch auch die Müdigkeit nach einem langen Musikerleben zu spüren. Im Falle Halls kommen zu diesen Strapazen noch schwere Depressionen, die er, wie er sagt, nur mit starken Medikamenten unterdrücken kann.
So eindrucksvoll auf den ersten Blick die Bühnenleistung der zum Teil über 60-jährigen Vorreiter des Ska-Revivals der 1980er Jahre auch war – bei genauerem Hinsehen schimmerte die Erschöpfung und auch die Sehnsucht nach einem ruhigeren Lebensabend durch. Am deutlichsten wurde dies beim Schlagzeuger, der die verlangten Shuffle-Rhythmen zwar ohne große Schwankungen durchhielt, aber eben nur mit viel (physischer) Mühe.
Insofern war es höchste Zeit, für diese Abschiedstour. Vielleicht hätten die Specials bereits nach der Wiedervereinigung zum 30-jährigen Bandjubiläum 2009 die Segel streichen sollen. Denn zumindest Sänger Terry Hall hat den Zirkus endgültig satt. Auf die Frage, was er denn noch vor hat im Leben, sagte er kürzlich dem Deutschlandfunk: »Auf keinen Fall wieder in einer Band sein.«
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