Verdoppeltes Hörspiel
Berlin: Musik und Worte im lichtlosen Raum
Zum zweiten Mal führt Sabrina Hölzer, die musiktheater-leidenschaftliche Erfinderin der Zeitgenössischen Oper Berlin, ihr auf Ungewöhnlliches vorbereitetes Publikum in die Dunkelheit, »Into the Dark« – und Dunkelheit heißt hier auch wieder, wie schon vor einem halben Jahr, in die absolute, totale Schwärze der Nacht. Ort der Handlung das Funkhaus Berlin, Nalepastraße, Name des Stückes »Words and Music – ein Hörspiel im lichtlosen Raum«, Autor Samuel Beckett, Musik von Morton Feldman.
Das garantiert Besonderes – zusätzlich, wenn sich Shaun Lawton, einer der beiden Sprecher/Sänger – der andere ist der große Sprechkünstler Hanns Zischler –, als geprägt vom Umgang mit »Schurken, Quäkern, Gypsies, ungarischen Flüchtlingen« und als »Teilzeit-Straßenrüpel« vorstellt: In solchen kreativen Menschen verwirklicht sich das multikulturelle Berlin und aus solchem Humus geht auch ein so verdienstvoll experimentierendes Unternehmen wie die Zeitgenössische Oper Berlin hervor. Die dritte Stimme gehört der Musik, dem Solistenensemble Kaleidoskop, das schon beim »Into the Dark I« mit Hölzer zusammengearbeitet hat. Die Musiker verwirklichen Feldmans Partitur mit allen von Beckett dort sehr präzise notierten Bezeichnungen, den wichtigen Pausen, den Tempi und der Dynamik so eindrucksvoll, dass man ihnen gerne noch länger als die vorgesehene gute Stunde zuhören würde. Zischler erinnert diese Musik an Schubert.
Das Ergebnis ist ein einmaliges Hörerlebnis. Beckett hatte »Words and Music« 1961 als Hörspiel geschrieben, Feldmans Vertonung kam erst fünfundzwanzig Jahre später dazu. Sie umhüllt den eigenwilligen, zusammenhanglosen und streckenweise schwer verständlichen (englisch gesprochenen) Text wie ein kunstvoll durchlöcherter Mantel. Das klassische Hörspiel erwartet ein Publikum, das es sich zuhause bequem macht und konzentriert zuhört. Hölzer gibt ihm mit der totalen Schwärze des Raumes eine zusätzliche, gewissermaßen vierte Dimension: Sprache und Musik und deren »Wirkung in einem lichtlosen Raum« auf etwa einhundert Menschen, die sich nicht sehen können aber voneinander wissen, dass sie da sind und eine Energie-Atmosphäre produzieren – diese Erfahrung lässt sich unter normalen Konzert- oder Theaterbedingungen nicht machen, vom normalen Hörspiel ganz zu schweigen. Das macht diese Produktion so einmalig.
Dass Beckett mit dem Stück ganz andere Denkanstöße aussenden wollte (er hat die erste Fassung zurückgezogen), nämlich einen Dreieckskonflikt zwischen dem Wort, der Musik, und einem beide vergeblich zusammenzwingenden »krächzenden Tyrannen« – und, darüber hinaus, eine Kritik an der Oper als Kunstform –, das kann man sich aus dem natürlich tiefschwarz gedruckten Programmheft oder dem in den ausliegenden Werkausgaben nachlesbaren Text rekonstruieren. Von der übermächtigen Nacht-Performance wird man aber zugunsten ganz anderer mentaler und sinnlicher Erfahrungen überwältigt. Man darf auf den dritten Teil von Hölzers Serien-Projekt »Into the Dark« gespannt sein.
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