Wenn der Staat Doping erforscht

Historiker finden weitere Hinweise auf politisch subventioniertes System in der BRD

  • Thomas Wolfer und Jörg Mebus, SID
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Anzeichen gibt es seit Jahrzehnten. Nun werden sie durch eine Studie von Historikern aus Berlin und Münster gestützt: Nicht nur in der DDR, sondern auch in der Bundesrepublik gab es vor der Wende ein staatlich gefördertes Dopingsystem.

Ein ausgeklügeltes System zum Doping im Spitzensport, kontrolliert von hochrangigen Medizinern, abgesegnet durch die Politik: Auch in der Bundesrepublik hat es vor dem Mauerfall staatlich geförderte Manipulation gegeben. Diese seit Langem formulierte Annahme stützen Universitätshistoriker aus Berlin und Münster, die am Montag ihre Studie vorstellten.

»Man kann von einer staatlich subventionierten Anabolikaforschung sprechen. Als Begründung wurde oft herangezogen, dass man mit der DDR sportlich auf Augenhöhe sein wollte«, sagte Professor Giselher Spitzer von der Berliner Humboldt-Universität, die gemeinsam mit der Westfälischen Wilhelms-Universität die Studie in zweijähriger Arbeit erstellt hatte.

Dabei nannten Zeitzeugen, denen Anonymität zugesichert wurde, stets einen Satz, der ihnen von Funktionären und Trainern eingetrichtert worden sei: »Ohne Anabolika hast Du keine Chance.«

Sportmediziner, allen voran die damaligen Aushängeschilder Joseph Keul (Freiburg) und Wildor Hollmann (Köln), sollen mit Fördergeld des dem Bundesinnenministerium unterstehenden Bundesinstituts für Sportwissenschaft (BISp) leistungssteigernde Effekte von Anabolika und Testosteron erforscht haben. Das BISp, das die Studie in Auftrag gegeben hatte, nahm demzufolge in diesem System eine zentrale Rolle ein. Für die Sportmediziner sei das BISp ein »lukratives Finanzierungsinstrument« gewesen. Keul soll sogar Forschungsgeld auf sein Konto überweisen lassen haben.

Im Zuge der Untersuchungen über Keul gerät auch Willi Daume ins Zwielicht. Zum 1996 verstorbenen langjährigen NOK-Präsident bestand laut Studie »lange ein Vertrauensverhältnis, ihm ließ Keul sogar Interna zur Anabolika-Praxis zukommen«. Keul starb im Jahr 2000. Hollmann, der im BISp zwischen 1970 und 1992 den Fachausschuss für Medizin leitete, setzt sich derweil vehement zur Wehr. Der 86-Jährige weist die Darstellung der Historiker als »teilweise grotesk anmutende Unterstellung« zurück. In seinem Institut an der Deutschen Sporthochschule in Köln sei »niemals Dopingforschung betrieben« worden.

Die Studie zeichnet ein anderes, stichhaltiges Bild davon, wie Politiker wohlwollend ihren Segen geben. Um bei Olympia 1972 in München Medaillen zu gewinnen, seien »eindeutige Signale« aus dem Bonner Innenministerium gekommen, »alle Mittel zu nutzen«. In einem Dokument des Südwestfunks vom 21. Oktober 1976 sprach Gerhard Groß, Ministerialrat von Innenminister Werner Maihofer in Freiburg zum »lieben Herrn Professor Keul« vor laufenden Kameras: »Wenn keine Gefährdung oder Schädigung der Gesundheit der Athleten herbeigeführt wird, halten Sie leistungsfördernde Mittel für vertretbar. Der Bundesminister des Inneren teilt grundsätzlich Ihre Auffassung.«

Dass vor allem mit Anabolika gedopt wurde, ist seit langem bekannt. Unter anderem Uwe Beyer (Olympiadritter 1964 im Hammerwurf), Sprinter Manfred Ommer (EM-Zweiter 1974) und der ehemalige Hammerwurf-Weltrekordler Walter Schmidt gaben zu, gedopt zu haben.

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