Die Angst vor dem Domino-Effekt
Bei dem Votum über den Euro-Rettungsschirm geht es nicht nur um die Zukunft der Währungsunion
Viele Abgeordnete von Union und FDP wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Abstimmung über die deutsche Beteiligung am Euro-Rettungsschirm EFSF die Gefolgschaft verweigern. Bei der Probeabstimmung der CDU/CSU-Fraktion am Dienstag gab es 13 abweichende Stimmen. Die Kanzlerin übt sich derweil in Zweckoptimismus. »Ich bin sicher, dass wir eine eigene Mehrheit erreichen werden«, wiederholt sie gebetsmühlenartig. Im Regierungslager dürfen nur 19 Stimmen für die symbolisch wichtige Kanzlermehrheit fehlen.
Bei der FDP, deren Parteichef Philipp Rösler nach seinen Äußerungen zu einer möglichen Insolvenz Griechenlands nun wieder auf den Merkel-Kurs umgeschwenkt ist, erwartet Fraktionschef Rainer Brüderle weniger als sechs Gegenstimmen. Die Abstimmung wird somit auch zu einem Test, wie groß der Rückhalt für die Kanzlerin in der Koalition überhaupt noch ist.
Die Uneinigkeit in den eigenen Reihen hat Merkel indes selbst zu verantworten. Sie hatte einst die populistische Losung »keinen Cent für Griechenland« ausgegeben und später einen Kurswechsel vollzogen.
Die Rettungsschirm-Gegner in den Regierungsparteien, unter ihnen CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach und FDP-Mann Frank Schäffler, argumentieren gemäß der neoliberalen Logik. Nach dieser soll der Markt sich selber regulieren, der Staat Eingriffe in die Wirtschaft vermeiden. Die Folge wäre: Griechenland geht pleite und könnte die Währungsunion verlassen. Die Krise des südosteuropäischen Landes wäre damit zwar nicht gebannt. Aber die Abweichler wollen verhindern, dass der deutsche Anteil an den im Notfall übernommenen Kreditbürgschaften auf 211 Milliarden Euro steigt. So ist es im bis Mitte 2013 befristeten EFSF vorgesehen. Zudem gehen sie davon aus, dass sich der Euro stabilisiert, wenn Griechenland die Währungsunion verlässt.
Das bezweifeln die Befürworter des Rettungsschirmes. Denn auch wenn Griechenland zur Drachme zurückkehren würde, gebe es weitere kriselnde Euro-Länder wie etwa Italien, denen als Spekulationsobjekt das gleiche Schicksal droht wie den Griechen. Die Folge wäre ein Domino-Effekt: Immer mehr verschuldete Staaten müssten aus der Eurozone aussteigen, die Währungsunion stünde vor ihrem Ende. Dieses Szenario will Merkel vor allem im Interesse der deutschen Wirtschaft verhindern. Die Unternehmen hierzulande sind wegen ihrer billigen Exporte in andere EU-Länder die großen Profiteure der Währungsunion.
Der EFSF soll künftig mehr Kredite vergeben sowie Staatsanleihen kaufen können. Verschuldeten Staaten sollen zur Beruhigung der Märkte vorsorglich Kreditlinien versprochen und Darlehen für die Stärkung der Banken vergeben werden. Allerdings gibt es bisher keine Anzeichen dafür, dass sich die griechische Wirtschaft wieder erholt. Merkel und ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble fordern nämlich einen strikten Sparkurs des Landes als Voraussetzung für weitere Zahlungen. Die Konjunktur wird dadurch gehemmt.
Die SPD hat ebenso wie die Grünen ihre Zustimmung zum aufgestockten EFSF signalisiert. SPD-Chef Sigmar Gabriel bezeichnete diesen als »ersten richtigen Schritt der Regierung in der Eurokrise«. In den Reihen der SPD werden zudem zusätzliche Maßnahmen gefordert. Etwa ein Schuldenschnitt Griechenlands mit einem Forderungsverzicht von 40 bis 50 Prozent der privaten Gläubiger. Zudem setzen sich SPD und Grüne für gemeinsame Staatsanleihen der Euro-Staaten, sogenannte Eurobonds, ein. Durch diese würden sich die hohen Zinskosten für verschuldete Euro-Staaten verringern und die Spekulationen gegen die Krisenstaaten gestoppt werden. Im Unterschied zu Schwarz-Gelb fordert der ehemalige Finanzminister Peer Steinbück (SPD) eine Art Marshall-Plan für Griechenland, um dort die Wirtschaft wieder anzukurbeln.
Die Grünen wollen sich als proeuropäische Partei profilieren und befürworten den EFSF. Auch die im Zuge der »Rettungspakete« durchgesetzten Privatisierungen griechischer Staatsunternehmen hat Grünen-Chef Cem Özdemir grundsätzlich begrüßt. »Aber die finden hier auf Ramschniveau statt«, kritisierte er. Zur Stabilisierung der Eurozone streben die Grünen einen »Green New Deal« an. Dieser sieht unter anderem Investitionen in den ökologischen Umbau der Wirtschaft vor.
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