500 plus 6

Wie sich der Marzahner Tischtennisklub ttc eastside seinen Platz unter den Berliner Spitzenvereinen sucht

Hertha, Union, Alba, Eisbären, Füchse: Inmitten der Berliner Großklubs ist der ttc eastside ein ganz kleines Licht. Dabei spielen die Frauen des Vizemeisters als einziger deutscher Tischtennis-Verein in der Champions League. Im Gegensatz zur Fußball-Königsklasse ist diese Liga aber ein Zuschussgeschäft. Für den Heimstart in die Liga am Sonntag (14 Uhr) wünscht sich der Verein 500 Zuschauer. Schon 400 wären ein Traumergebnis.

Ist dieser Vereinspräsident ein Fantast? Als Alexander Teichmann den Spielerinnen des ttc eastside vor dem Start verriet, wie er die neue Bundesliga bestreiten will, herrschte ungläubige Stille. Wie bitte? Ohne Chinesin sollen die Frauen des Berliner Tischtennis-Bundesligisten »ttc eastside« die neue Ligasaison bestreiten?

»Ich musste einige Überzeugungsarbeit leisten und erst mal aufzählen: Guck mal, die hast Du schon geschlagen, und die und die und die.« Zwei Deutsche, zwei Ungarinnen und eine Russin stehen nun im Kader, die Trainerin kommt aus Russland. Statt einer Chinesin aus der zweiten Reihe verpflichtete der ttc eastside die Stuttgarter Nationalspielerin Irene Ivancan als Nachfolgerin des einstigen Publikumslieblings Song Ah Sim, die nach Hongkong zurückging. Nun können sich die Berlinerinnen einer Besonderheit rühmen: »Wir sind der einzige Spitzenklub in Europa, der ohne Asiatin auskommt«, sagt Teichmann.

Es ist die Krux im Vereinstischtennis: Einerseits sollen möglichst einheimische Spielerinnen für das Team aufschlagen, damit die Zuschauer die heimische Halle füllen und die lokalen Zeitungen und Fernsehsender sich interessieren. Andererseits ist es fast unmöglich, sich ohne eine der hervorragend ausgebildeten Spielerinnen aus China durch die Spitzenspiele der Liga und den Europapokal zu kämpfen.

Für die Berlinerinnen lässt sich die Saison gut an: Am Dienstagabend waren die ungarische Topspielerin Georgina Pota, die Spieler-Managerin Tanja Krämer (früher Hain-Hofmann) und Kolleginnen erstmals in der Champions League 2011/2012 im Einsatz – mit Erfolg: 3:1 wurde beim vielfachen kroatischen Meister Mladost Zagreb gewonnen. Alexander Teichmann hat kaum etwas anderes erwartet: »Wir wollen ja ins Finale.« Sollte der Plan aufgehen, muss der Verein bis zu 20 000 Euro berappen für Reise und Organisation der Spiele. Im Europapokal schaffte der Verein aus Berlin-Marzahn seine größten Erfolge: So gewann der Verein 1969 den Cup der Landesmeister – damals noch als BSG Außenhandel.

Nur sechs Mannschaften spielen 2011 in der Champions League mit, vergangene Saison fiel die Liga sogar aus, weil zu wenige Klubs antreten wollten. Der Champion aus Deutschland hat auf einen Start verzichtet: Dem FSV Kroppach ist die Liga zu teuer. In Rheinland-Pfalz konzentriert man sich lieber auf die Bundesliga.

Heute müssen die Berlinerinnen in Kroppach an die Platte. Ein Sieg wäre für Vizemeister ttc eastside eine Überraschung: »Unser Ziel bleibt Platz zwei«, sagt Präsident Teichmann. Kroppach wird an der Tabellenspitze einsam seine Runden ziehen, da ist er sich sicher.

Am Sonntag empfängt der ttc eastside die TTG Bingen. Damit mehr als die üblichen 150 Zuschauer in die traditionsreiche, aber in die Jahre gekommene Sporthalle am Anton-Saefkow-Platz kommen, versucht der Klub die Aktion »500 plus 6«. Teichmann: »Wenn 70 000 zur Hertha gehen, müssen doch auch 500 zu uns kommen, um unsere Sechs zu unterstützen!« rührt Teichmann die Werbetrommel. Unter allen Besuchern wird eine Reise zur Tischtennis-EM im Oktober nach Gdansk verlost, und der am stärksten vertetene Verein gewinnt ein Training mit Irene Ivancan oder einen Monatsvorrat Tischtennisbälle.

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