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Berliner Grüne nicht eingeknickt?

Europaabgeordneter Michael Cramer äußert sich zur Stadtautobahn A 100 / Der grüne Verkehrsexperte saß von 1989 bis 2004 im Berliner Abgeordnetenhaus. Nun sitzt er im EU-Parlament

  • Lesedauer: 3 Min.
Fragwürdig – Berliner Grüne nicht eingeknickt?

ND: Die Berliner Grünen machten sich Hoffnungen, die Verlängerung der Stadtautobahn A 100 zu verhindern und die Bundesmittel stattdessen für die Sanierung alter Straßen zu verwenden. Jetzt sieht es danach aus, dass die Grünen als möglicher neuer Juniorpartner vor dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) einknickten. Weil CSU-Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer die 420 Millionen Euro für die Autobahn nicht umwidmen will, ist der Bau doch beschlossene Sache?
Cramer: Nein, das sehe ich anders. Der Kompromiss, die Umwidmung der Mittel zu versuchen, wäre tragfähig gewesen. Die Basis der Grünen hätte dem zustimmen und den Weg für Rot-Grün frei machen können. Das Problem ist, dass die SPD sofort vom vereinbarten Kompromiss abgerückt ist und verkündet, dass die A 100 gebaut wird. Das ist kein Vertrauens-, sondern ein Misstrauensvorschuss für die künftige Arbeit. Das dürfen sich die Grünen nicht bieten lassen. Dem in den Sondierungen erzielten Kompromiss ist durch die SPD und durch die Erklärung des Bundesverkehrsministers die Grundlage entzogen. Nun muss in den Koalitionsverhandlungen festgelegt werden, dass die A 100 nicht gebaut wird – wie Volker Ratzmann und Renate Künast es vor der Wahl gesagt haben. Deshalb sollten wir auf jeden Fall verhandeln. Insgesamt sind die Schnittmengen zwischen SPD und Grünen ja groß. Die Frage ist, was bei den Verhandlungen herauskommt. Der Autobahnverlängerung zustimmen dürfen wir nicht.

Warum nicht?
Weil wir dann als Umfallerpartei dastehen würden. Diesen Titel bekam die FDP vor 50 Jahren, als sie vor der Wahl eine erneute Kanzlerschaft von Adenauer ausschloss, sie nach der Wahl aber unterstützte. Für uns ist es eine Frage der Glaubwürdigkeit, den Weiterbau A 100 zu verhindern. Es wäre ein fataler Fehler, uns der SPD zu beugen. Schließlich soll hier im Jahr 2011 das aus den 1950er Jahren stammende Konzept der autogerechten Stadt mit den Argumenten der 1970er Jahre durchgesetzt werden. Es entsteht der Eindruck, wir hätten die A 100 bereits akzeptiert. Das trifft nicht zu. Die Koalitionsverhandlungen kommen erst noch. Dort müssen wir unsere Position durchsetzen.

Was wäre so schlimm an einem Stück Stadtautobahn?
Es gilt noch immer der Satz von Hans-Jochen Vogel (SPD) aus dem Jahr 1971: »Das Auto mordet unsere Städte. Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten.« Wir Grüne wollen Berlin nicht morden, sondern zukunftsträchtig gestalten. Deshalb müssen wir Mobilität sichern und das Klima schützen. Berlin hat die Chance dazu. Jeder zweite Haushalt ist hier auch ohne Auto mobil. Statt Autobahnen zu bauen, müssen wir den öffentlichen Nahverkehr und die Fahrradinfrastruktur verbessern – beispielsweise durch eine Straßenbahn vom Alexanderplatz nach Steglitz für bis zu 80 000 Fahrgäste pro Tag.

Ist es nicht übertrieben, die rot-grüne Option wegen drei Kilometern Autobahn zu opfern und damit der CDU das Feld zu überlassen?
Klaus Wowereit hat erklärt, er könne sich nicht vorstellen, dass Rot-Grün an der Stadtautobahn scheitert. Er muss nur auf den Weiterbau verzichten – und dann hat er Recht. Es ist doch die SPD, die in dieser Frage gespalten ist. Gut die Hälfte der Sozialdemokraten will diese Autobahn auch nicht. Wir Grünen sind uns einig. Wo gibt es denn so etwas, dass sich die gespaltene Seite durchsetzt? Wenn Klaus Wowereit unbedingt die A 100 will, dann soll er sie mit der CDU bauen – und alle bundespolitischen Konsequenzen einer rot-schwarzen Koalition in der Bundeshauptstadt tragen.

Interview: Andreas Fritsche

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