Staatsspitzelei in Mitte
SPD und CDU treffen erste bezirkliche Vereinbarung über Anwendung der Extremismusklausel
Der Bezirk Mitte will als erster in Berlin die umstrittene Extremismusklausel einführen. Geht es nach den Vereinbarungen von SPD und CDU zur Wahl eines Bezirksbürgermeisters und inhaltlichen Schwerpunkten, dann muss künftig jede Organisation, Verein oder Person, die für ihr zivilgesellschaftliches Engagement Fördergelder beantragen will, zuerst schriftlich ihre Verfassungstreue bekunden. Wer dazu nicht bereit ist, dem werden Gelder gestrichen oder verweigert.
Der stellvertretende Kreisvorsitzende der SPD Mitte, Frank Boermann, sieht die Klausel als pragmatisches Opfer der gemeinsamen Koalitionsvereinbarungen. So bezeichnete er die Extremismusklausel zwar als wenig zielführend, aber in politischen Verhandlungen müsse man gewissen Positionen nachgeben, um zu einem Ergebnis zu kommen, erklärte Boermann das Einknicken seiner Partei.
Die CDU habe laut Boermann die Initiative zu der umstrittenen Klausel in der Verhandlungskommission ergriffen und sei im Gegenzug bereit gewesen, dass die SPD ihre bisherige Integrationspolitik im Bezirk ungehindert weiterführen könne. Die Koalitionsverhandlungen in Mitte hätten ohnehin unter einem »schwierigen Stern« gestanden, so Boermann, da auch die Grünen der CDU Avancen gemacht hätten.
Der Fraktionsvorsitzende der LINKEN im Abgeordnetenhaus, Udo Wolf, kritisierte die mögliche Anwendung der Extremismusklausel in Mitte als »Staatsspitzelei«. Eigentlich hatten sich die Linkspartei und die SPD darauf geeinigt, die Klausel abzulehnen. »Es ist ein Skandal, dass die SPD so etwas jetzt mitträgt«, sagte Wolf.
Als rot-rot-grün dominierter Bezirk hatte Mitte die von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) eingeführte Regelung noch abgelehnt. Nach der Wahl im September haben sich jedoch im Bezirk neue Mehrheitsverhältnisse ergeben, so dass sich nun eine sogenannte Zählgemeinschaft aus SPD und CDU konstituiert hat. Damit will die SPD die Wahl ihres Bezirksbürgermeisters sichern.
Dass der Bezirk Mitte als Wegbereiter einer berlinweiten Einführung der Klausel gilt, ist derzeit aber wohl nicht abzusehen. Im Bezirk Neukölln jedenfalls, wo sich gleichermaßen eine Zählgemeinschaft aus SPD und CDU zur Wiederwahl des dortigen Bezirksbürgermeisters Heinz Buschkowsky (SPD) zusammentat, ist ein solches Vorhaben nicht Gegenstand der Verhandlungen gewesen, versicherte auf Anfrage SPD-Bezirkspressesprecher Joschka Langenbrinck.
Die von vielen Seiten als »Gesinnungs-Check« kritisierte Klausel wurde vom Bundesfamilienministerium unter Kristina Schröder bisher mit dem Hinweis auf mögliche linksextremistische Unterwanderungsversuche von Initiativen, die sich gegen Rechtextremismus engagieren, eingeführt und immer wieder hartnäckig verteidigt.
Anetta Kahane, Vorstandsvorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, bezeichnete die beabsichtigte Einführung der Extremismusklausel in Berlin-Mitte als »bizarr und ineffektiv«. Die Zivilgesellschaft und alle, die sich für Demokratie in dieser Stadt engagieren, würden damit unter einen Generalverdacht gestellt, erklärte Kahane.
Die CDU Mitte hatte in ihrem Wahlprogramm bereits einen Förderungsstopp für »verfassungsfeindliche« Organisationen gefordert, dies aber auf »nationalistische Kulturvereine« beschränkt. Diese »dürfen nicht aus einer falsch verstandenen Toleranz heraus mit staatlichen Geldern unterstützt werden«, hieß es.
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